taz.de -- Kommentar Ukraine-Politik der EU: Europa ist ratlos
In der Ukraine eskaliert die Gewalt. Daran trägt die EU eine Mitschuld. Die europäische Ukraine-Politik hat auf ganzer Linie versagt.
Die Ukraine sollte europäisch werden, jetzt steuert sie auf Chaos zu. Die schweren Ausschreitungen in Kiew mit Toten und Verletzten lassen jedenfalls das Schlimmste befürchten. In dieser Lage sollte man von EU-Politikern eigentlich erwarten, dass sie zur Deeskalation beitragen und ihre Haltung überdenken.
Schließlich hat die Politik des „Friss oder stirb“, die Brüssel seit dem missglückten Gipfel in Vilnius verfolgt, mit zur Eskalation beigetragen. Präsident Janukowitsch sollte das Assoziierungsabkommen mit der EU schlucken, koste es, was es wolle. Dabei hätte das die Wirtschafts- und Finanzkrise in der Ukraine zunächst einmal verschärft. Kein gutes Angebot.
Doch statt nachzubessern, hat die EU versucht, Janukowitsch in die Ecke zu drängen. Gleichzeitig hat sie es versäumt, die gemäßigten Kräfte in der proeuropäischen Opposition zu stärken. Warnungen vor der rechtsextremen Bewegung Swoboda und gewaltbereiten Extremisten wurden in den Wind geschlagen. Weder der EU-Gipfel im Dezember noch das Treffen der EU-Außenminister haben an diesem fatalen Kurs etwas geändert.
Und jetzt ist man ratlos. „Wir sind schockiert“, war fast alles, was Kommissionspräsident Barroso gestern zur Krise in Kiew einfiel. Er deutete zwar vage „mögliches Handeln“ an. Doch ob dies Sanktionen bedeutet oder eine neue Vermittlungsmission, blieb offen. Offenbar weiß Barroso selbst nicht, was er machen soll; die EU kann sich nicht zwischen der harten Linie der USA und dem eigenen Wunsch nach rascher „Europäisierung“ der Ukraine entscheiden.
Zudem bleibt die Haltung gegenüber Russland unklar. Während viele Osteuropäer in Putin den Schuldigen sehen, bemüht sich Deutschland um Annäherung. Mehr wird man frühestens beim EU-Russland-Gipfel nächste Woche erfahren. Fest steht nur eins: Die europäische Ukraine-Politik ist gescheitert.
22 Jan 2014
AUTOREN
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Wegen der Krise in der Ukraine steht die „strategische Partnerschaft“ Brüssels mit Russland auf dem Prüfstand. Auch sonst hat sich einiges aufgestaut.
In Weißrussland sympathisieren viele mit den Protesten in der Ukraine. NGOs fordern westliche Politiker als Vermittler und kritisieren deren Zurückhaltung.
Michail Gorbatschow appelliert an Russland und die USA, Blutvergießen zu verhindern. Die Duma verlangt dagegen die Nicht-Einmischung von außen.
Viele Menschen auf Kiews umkämpftem Platz trauen weder der Regierung noch der Opposition. Sie kämpfen schlicht für ihre Rechte.
EU-Kommissar Stefan Füle plant, für Gespräche nach Kiew zu reisen. Präsident Janukowitsch hat zur Beratung eine Sondersitzung im Parlament beantragt.
Die Eskalationspolitik von Klitschko ist fahrlässig. Sie hilft nur den russischen Machthabern: Die verschärfen jetzt die Repressionen.
Die Stürmung des Unabhängigkeitsplatzes in Kiew blieb in der Nacht aus, doch die Lage spitzt sich zu: Das Militär ließ einen Panzer auffahren, die Opposition will nicht weichen.
Die Eskalation in der Ukraine geht vor allem von rechten Gruppierungen und Extremisten aus. Viele haben sich in Wehrsportgruppen auf den Kampf vorbereitet.
In Kiew sind zwei Menschen erschossen worden. Beide Seiten beschuldigen sich gegenseitig. Die Opposition hat zu einer neuen Massenkundgebung aufgerufen.
Die Wahl zwischen Putin oder Europa ist die falsche. Von der EU werden die ukrainischen Freiheitskämpfer zukünftig nicht viel erwarten können.
In Kiew haben sich erneut gewaltbereite Demonstranten Kämpfe mit der Polizei geliefert. Oppositionschef Klitschko sieht auch Provokateure am Werk.
Staatschef Wiktor Janukowitsch lässt die Versammlungs- und Meinungsfreiheit drastisch einschränken. Die Proteste wird er damit nicht aufhalten.
Bei erneuten Demonstrationen in der Hauptstadt Kiew mit zehntausenden Teilnehmern kommt es zu gewalttätigen Zusammenstößen mit der Polizei.