taz.de -- Kommentar Ukraine: Es braucht einen dritten Weg

Die Wahl zwischen Putin oder Europa ist die falsche. Von der EU werden die ukrainischen Freiheitskämpfer zukünftig nicht viel erwarten können.
Bild: Nach Entspannung sieht es in Kiew derzeit nicht aus.

Spätestens seit der Verabschiedung der jüngsten Gesetze, die die Meinungsfreiheit weiter einschränken, hat Janukowitsch seinen Kredit verspielt. Er sollte gehen, um einen Bürgerkrieg zu verhindern. Danach sieht es allerdings überhaupt nicht aus.

Die gleichen westlichen Politiker, die die ukrainischen Freiheitskämpfer heute bejubeln, bieten ihnen morgen allenfalls den Katzentisch in Europa an. Eine Annäherung an die Europäische Union wird vor allem die ukrainische Landwirtschaft im Westen des Landes zu spüren bekommen, wenn das Land mit billigen europäischen Agrarprodukten überschwemmt werden wird. Und in der CSU-Zentrale dürften heute schon die Blaupausen für eine Kampagne gegen ukrainische „Sozialtouristen“ liegen.

Die Ukraine sollte sich nicht die Wahl zwischen Putin oder EU aufzwingen lassen. Es gibt auch einen dritten Weg. Für die geostrategisch denkenden Politiker der Ukraine wird der aber keine Option sein. Diese versprechen sich ihr Heil stets entweder von einer Umarmung Putins oder aber einer Mitgliedschaft in der EU.

Den Protestierenden ist dieses Blockdenken indessen weitgehend fremd. Sie wollen einen korrupten Präsidenten loswerden und so leben, wie sie sich ein gutes europäisches Leben vorstellen. Sie werden also Druck auf die Politik ausüben müssen. Einfach wird ein dritter Weg für ein Land, das keine Bodenschätze hat, nicht werden. Ständig wird ein Ausgleich zwischen europäischen und russischen Interessen nötig sein.

Doch ein „Putin oder die EU“ könnte für die Ukraine, deren Westen sich an Europa orientiert und deren Osten sich Russland zugehörig fühlt, eine Zerreißprobe bedeuten, die letztlich die Existenz des Landes in seiner heutigen Form gefährdet.

21 Jan 2014

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Bernhard Clasen

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