taz.de -- Neonazis im Europaparlament: Jobbik zweite Kraft

Faschisten feiern Wahlerfolge, nicht nur in Ungarn und Griechenland. Auch Deutschland schickt einen NPD-Mann nach Brüssel.
Bild: Neonazi mit Mandat in Brüssel: Udo Voigt von der NPD.

Jobbik zweite Kraft

Ohne Springerstiefel und extremistische Sprüche zog Ungarns faschistische Jobbik in den Wahlkampf. Ihr Auftreten auf Samtpfoten wurde mit Platz zwei hinter Viktor Orbáns Fidesz belohnt: 14,68 Prozent.

Spitzenkandidatin Krisztina Morvai feierte den Einzug von drei Jobbik-Abgeordneten ins Europaparlament als großen Erfolg, wenn man bedenke, „dass die Medien und die Geheimdienste unter direkter politischer Kontrolle stehen“. In der Zielgerade des Wahlkampfes hatte die regierungsnahe Tageszeitung Magyar Nemzet Béla Kovács, Nummer drei auf der Jobbik-Liste, Spionage für Russland vorgeworfen.

Jobbik-Chef Gábor Vona outete sich im Wahlkampf vielmehr als Vorkämpfer für eine Sozialunion und forderte die Aufhebung der „sozialen und existenziellen Ungleichheiten“ zwischen West und Ost in der EU. Ungarns EU-Beitritt vor zehn Jahren sieht er als „riesigen Beschiss“. Denn das Versprechen der Lohnangleichung sei nicht eingelöst worden. Die Schuld dafür sieht er nicht bei den „alten Mitgliedsländern“, sondern bei Fidesz und den ungarischen Sozialisten, die ständig „nationale Interessen verraten“ würden. RLD

Unser Nazi für Europa

Der langjährige ehemalige Chef der NPD, Udo Voigt, vertritt die Rechtsextremen künftig in Brüssel und Straßburg. 1,0 Prozent, 300.000 Menschen, haben am Sonntag bundesweit für seine Partei gestimmt. Der frühere Bundeswehrsoldat Voigt hatte sich in einer Kampfkandidatur als Spitzenkandidat gegen den aktuellen Parteivorsitzenden Udo Pastörs durchgesetzt.

Die Partei hat große Geldprobleme, die Zahl ihrer Mitglieder ist gesunken. Der Bundesrat reichte im Dezember beim Verfassungsgericht einen Verbotsantrag ein. Daran hat der 62-jährige Politikwissenschaftler einen Anteil - er hatte die Partei weiter nach rechtsaußen geführt. Erst Mitte Mai hatte das Berliner Landgericht Voigt wegen Volksverhetzung zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr verurteilt. CJA

Siegreich im Knast

Die Neonazi-Partei Goldene Morgenröte wurde mit fast 10 Prozent (2009: 0,4 Prozent) drittstärkste politische Kraft und schickt drei Abgeordnete ins EU-Parlament. „Wir sind die einzige Partei, die ihren Stimmenanteil kontinuierlich steigert. Und das, obwohl alle anderen uns beschimpfen, verleumden“, donnerte Parteisprecher Ilias Kassidiaris. Seit Monaten sitzen führende Parteimitglieder in U-Haft, die Justiz ermittelt wegen der Bildung einer kriminellen Vereinigung gegen die Hälfte der 18 Parlamentsabgeordneten.

„Für Wähler, die dieser Neonazi-Gang folgen, gibt es keine Ausreden mehr. Sie haben sich bewusst für diese Partei entschieden und sind eine Schande für Griechenland“, kommentiert die Athener Tageszeitung Ethnos, die den Sozialisten nahesteht. Parteichef Nikos Michaloliakos verfolgt aus dem Gefängnis heraus den wachsenden Erfolg.

Nach der Wahl müsse die Parteiführung freigelassen werden, verlangt sein Sprecher Kassidiaris. Seine Partei, so kündigte er an, werde in Brüssel die Öffentlichkeit über die „humanitäre Krise in Griechenland informieren“ und eine „Reform der europäischen Einwanderungspolitik voranbringen“. JP

26 May 2014

AUTOREN

Ralf Leonhard
Christian Jakob
Jannis Papadimitriou

TAGS

Europawahl
Schwerpunkt Neonazis
Ungarn
Jobbik
Griechenland
Goldene Morgenröte
NPD
Ungarn
Ungarn
Schwerpunkt AfD
Viktor Orbán
Europaparlament
Europawahl 2014
Europawahl 2014
Europawahl
Europawahl 2014
Europawahl 2014
Griechenland

ARTIKEL ZUM THEMA

Razzia in Györ: Ungarischer Nazi tötet Polizisten

Polizisten hatten das Haus des ungarischen Neofaschisten umstellt, als dieser schoß. Einer der Beamten starb. Der Täter hat Kontakt zu deutschen Nazis.

Pressefreiheit in Europa: Zu kritisch für Ungarn?

Der Chefredakteur des Nachrichtenportals „Origo“ wurde entlassen. Laut Medienberichten war die Regierung an der Suspendierung nicht ganz unbeteiligt.

Kommunalwahl in Deutschland: Neonazis gehen in Deckung

Die NPD leidet unter dem Erfolg der AfD. Doch die Szene muss die Bedeutungslosigkeit nicht fürchten: Im Nordosten punkten Neonazis ohne die Partei.

Europäischer Gerichtshof rügt: Rechter Richtersturz nicht rechtens

Neuer Druck aus Europa auf Viktor Orban: Nun gerät die ungarische Regierung wegen der Absetzung eines hohen Richters in die Kritik.

Grüner über Rechte im EU-Parlament: „Nicht ausreichend kohärent“

Nationalisten und Populisten werden sich kaum einigen, glaubt Jan Philipp Albrecht. Gefährlich sei, wie die Konservativen ihre Konkurrenz kopieren.

Kommentar Europawahl: Es kommt mal wieder auf Merkel an

Es wird nicht reichen, im Europaparlament ein Bündnis der Proeuropäer zu schmieden. Europa braucht eine Art neue Führung.

Erfolg des Front National in Frankreich: Den Élysée-Palast fest im Blick

Unerwartet kam der Sieg des rechtsradikalen Front National nicht. Schockwirkung hat er aber dennoch. Die Sozialisten unter Hollande sind ratlos.

Griechenland nach der Europawahl: Niederlage der Sparpolitik

Die Linkspartei von Alexis Tsipras triumphiert bei der Wahl und fordert vorgezogene Neuwahlen. Regierungschef Samaras will davon nichts wissen.

Ergebnis der AfD bei der Europawahl: Der Populismus der Neulinge

„Für unsere Kinder“ verkündet Bernd Lucke seine Botschaft – und ruft die AfD als neue Volkspartei aus. Was genau das für die Arbeit in Brüssel bedeutet, bleibt im Dunkeln.

Gesamtergebnis der Europawahl: Konservative sind stärkste Fraktion

Stimmen verloren, Wahl gewonnen: Die EVP holt die meisten Sitze. Jetzt beansprucht sie das Amt des Kommissionspräsidenten für ihren Kandidaten Juncker.

Länderergebnisse Europawahl: Athen links, Paris rechts, Rumänien rot

In Griechenland siegen die Linken, in Frankreich die Rechten, in Zypern die Proeuropäer und in Österreich gewinnt die FPÖ. Eine Übersicht.