taz.de -- Pressefreiheit in Europa: Zu kritisch für Ungarn?

Der Chefredakteur des Nachrichtenportals „Origo“ wurde entlassen. Laut Medienberichten war die Regierung an der Suspendierung nicht ganz unbeteiligt.
Bild: Ungarns Premier Orban. Über seinen Vertrauten, Janos Lazar, wurde zuvor kritisch berichtet.

BUDAPEST dpa | Dass der Chefredakteur des größten ungarischen Nachrichtenportals, Gergö Saling, seinen Posten räumen muss, geht laut einem Medienbericht auf eine politische Intervention zurück. Das Portal [1][origo.hu] gehört dem Telekom-Unternehmen Magyar Telekom, einer Tochter der Deutschen Telekom.

Die Webseite [2][444.hu] berichtete am Donnerstag unter Berufung auf einen Informanten aus Regierungskreisen von einer Intervention der rechtskonservativen Regierung in Budapest. Demnach soll der Staatssekretär im Ministerpräsidentenamt, Janos Lazar, bereits Ende vergangenen Jahres wegen origo.hu Druck auf Magyar Telekom ausgeübt haben.

Druckmittel soll die Verlängerung der Mobiltelefon-Konzessionen gewesen sein. Die Mobiltelefon-Tochter T-Mobil macht bei Magyar Telekom den größten Umsatzanteil aus. Bei der Verlängerung der Konzession habe Magyar Telekom auch eingewilligt, für eine Änderung der Redaktionspolitik des wegen seiner kritischen Berichterstattung beliebten Portals zu sorgen, berichtet 444.hu.

Salings Absetzung war am vorigen Dienstag erfolgt. Angeblich waren dafür jüngste origo-Berichte ausschlaggebend, die die hohen Spesen von Lazars Auslandsreisen ans Tageslicht gebracht hatten. Der Politiker gilt als wichtiger Vertrauter von Ministerpräsident Viktor Orban.

Gegen die Entlassung Salings hat auch die Organisation Reporter ohne Grenzen (ROG) protestiert. Vorstandssprecherin Astrid Frohloff sprach am Mittwoch von einem „herben Schlag für den unabhängigen Journalismus in Ungarn“. Die Deutsche Telekom erklärte [3][//www.reporter-ohne-grenzen.de/nc/pressemitteilungen/meldung/chefredakteur-von-nachrichtenportal-abgesetzt/:in einer Stellungnahme gegenüber ROG], die Veränderungen bei origo.hu seien das Resultat interner Umstrukturierungen, auf die die Deutsche Telekom „zu keinem Zeitpunkt Einfluss genommen habe“.

5 Jun 2014

LINKS

[1] http://www.origo.hu/index.html
[2] http://444.hu/
[3] http://https

TAGS

Ungarn
Ungarn
Viktor Orbán
Ungarn
Europawahl
Ungarn
Fidesz-Partei
Antiziganismus
Datenschutz

ARTIKEL ZUM THEMA

Kommentar Landraub in Ungarn: Orbán kann nur gewinnen

Ungarns Premierminister will mit dem Enteignungsgesetz seine Wähler bedienen. Wenn die EU dagegen angeht, wird Orbán sich als Patriot feiern lassen.

Neues Mediengesetz in Ungarn: Orbáns Kampf gegen den Rundfunk

Das neue Mediengesetz in Ungarn bedroht vor allem RTL. Der Sender reagiert im Gegenzug mit kritischer Berichterstattung.

Pressefreiheit in Ungarn: Steuern, Luxus und Telekom-Deals

Der ungarischen Regierung werden Eingriffe in die Arbeit der Presse vorgeworfen. Tausende demonstrieren dagegen in Budapest, Medien protestieren.

Neonazis im Europaparlament: Jobbik zweite Kraft

Faschisten feiern Wahlerfolge, nicht nur in Ungarn und Griechenland. Auch Deutschland schickt einen NPD-Mann nach Brüssel.

Nazis in Ungarn: Ex-Skin wird Vizepräsident

Vom prügelnden Nazi-Skinhead in eines der höchsten Ämter des Parlaments? Kein Problem, in Ungarn geht das. Tamas Sneider von der Jobbik-Partei ist aufgestiegen.

Ungarische Wahlsiegerin Fidesz: Zweidrittelmehrheit steht fest

Die Partei von Viktor Orban ist klarer Sieger der ungarischen Wahlen. Grund dafür ist aber nicht allein die Beliebtheit der Rechtsnationalen.

Forscherin über Antiziganismus in Ungarn: „Dieses Denken führte zum Holocaust“

In Ungarn ist der Antiziganismus Staatspolitik. Arbeitsethos und Nationalismus sind Triebkräfte der Ausgrenzung, sagt die Wissenschaftlerin Magdalena Marsovszky.

Europäischer Gerichtshof rügt Ungarn: Schutz für Datenschützer

Ungarns rechtsnationale Regierung entließ 2012 den Datenschutz-Beauftragten. Das durfte sie aber gar nicht, entschied nun der EuGH.