taz.de -- Kommentar EU-Sondergipfel: Auf dem Mittelweg

Im Ukraine-Konflikt ist rasches Handeln angesagt, doch die EU bleibt behäbig. Und das neue Führungsduo sollte nicht zu früh „Dreamteam“ genannt werden.
Bild: Sind die Erwartungen an sie zu hoch? Polens Premier Donald Tusk und Italiens Außenministerin Federica Mogherini.

In Gefahr und Not bringt der Mittelweg den Tod. An diesen alten Sponti-Spruch fühlt man sich nach dem EU-Sondergipfel in Brüssel erinnert. Er sollte ein neues Führungsteam für die nächsten fünf Jahre nominieren – und brachte wieder nur einen halbgaren Kompromiss. Er sollte eine klare Antwort auf die militärische Eskalation in der Ukraine geben – doch die EU-Chefs spielen auf Zeit.

Erst in einer Woche soll die Entscheidung über neue Sanktionen gegen Russland fallen. Dabei wäre Eile geboten, um die russische Intervention zu stoppen und das Sterben im Osten und Süden der Ukraine zu beenden. Die EU-Kommission ist offenbar immer noch nicht in der Lage, jene „bedeutsamen Schritte“ einzuleiten, die der scheidende Ratspräsident Van Rompuy angekündigt hat.

Dabei ist klar, was jetzt zu tun wäre: Waffenruhe, Grenzsicherung und humanitäre Hilfe heißen die Stichworte, die zu einer politischen Lösung in der Ukraine führen können. Dazu müsste die EU sofort aktiv werden und nicht erst in einer Woche. Genau dafür – für die schnelle Reaktion! – waren einst die Topjobs des Ratspräsidenten und der Außenvertreterin geschaffen worden.

Doch die bisherigen Amtsinhaber Van Rompuy und Ashton haben die jüngste Eskalation verschlafen. Werden es ihre designierten Nachfolger Tusk und Mogherini besser machen? Auch da sind Zweifel erlaubt. Der konservative Pole und die sozialdemokratische Italienerin liegen außenpolitisch nicht auf einer Linie. Sie können sich nicht einmal sprachlich verständigen – Tusk spricht weder Englisch noch Deutsch.

Ob die beiden ein „Dreamteam“ bilden, wie manche jetzt schon behaupten, bleibt also abzuwarten. Genaueres dürften wir erst im Dezember wissen. So lange dauert es nämlich, bis die Neuen ihre Ämter antreten. In Gefahr und Not entscheidet sich die EU nicht nur für den Mittelweg – sie lässt sich auch verdammt viel Zeit.

31 Aug 2014

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Eric Bonse

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