taz.de -- Gabriels Waffenexportpolitik: Eine Panzerfabrik für Algerien
Transparent ist die Genehmigungspraxis für Waffenexporte nicht. Einige Entscheidungen sind aber bekannt – und zeigen einen unklaren Kurs.
BERLIN taz | Waffenexporte an Drittstaaten sollen wieder die Ausnahme werden – das versprach Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) zum Amtsantritt. Manche Deals stoppte er seitdem wirklich, anderen gab er seinen Segen. Egal wie er sich entschieden hat: Kritik durfte er sich hinterher immer anhören.
Februar: 2013 bemängelte die damals oppositionelle SPD den Verkauf deutscher Patrouillenboote an Saudi-Arabien noch. Heute steht sie als Teil der neuen Regierung hinter dem Geschäft und möchte sogar eine Bürgschaft ausstellen. Gabriel rechtfertigt den Deal: „Mit Patrouillenbooten können Sie nicht die eigene Bevölkerung unterdrücken.“ Die Opposition spricht trotzdem von einem „Skandal“.
März: In der Krimkrise gibt sich Gabriel erstmals restriktiv: Die eigentlich längst genehmigte Lieferung eines Übungszentrums von Rheinmetall an die russische Armee lässt er stoppen – erst vorläufig, später endgültig. Für die Entscheidung wird wohl noch Schadenersatz fällig.
April: Diesmal muss Saudi-Arabien verzichten, und zwar auf hunderte „Leopard“-Kampfpanzer. Die Bundesregierung stoppt einen entsprechenden Deal. Unions-Politiker warnen vor den Auswirkungen auf die Rüstungsbranche.
Mai: Auf Betreiben des Wirtschaftsministers soll der Bundessicherheitsrat zwei Drittel der Exportanträge einer Sitzung abgelehnt haben. Details darf die Regierung nicht bekanntgeben. Die Branche ist trotzdem in Aufregung und droht mit Abwanderung.
Juni: Algerien bekommt keine Panzer, sondern eine ganze Panzerfabrik. Rheinmetall liefert das Werk, in dem der Transportpanzer Fuchs hergestellt werden soll. Wegen Zusagen der Vorgängerregierung sei der Deal nicht zu stoppen gewesen, sagt Gabriel. Kritik kommt dieses Mal von den Grünen und Linken.
August: Seit Wochen klagen die Rüstungskonzerne, dass das Wirtschaftsministerium Exportanträge zu langsam bearbeite. Auch Betriebsräte der Branche sprechen deshalb bei Gabriel vor. Der Minister gelobt Besserung.
Oktober: Die Regierung genehmigt den Export verschiedener Waffen nach Katar und in drei weitere arabische Staaten. Der Rüstungsexportbericht zeigt: Unterm Strich hat die Große Koalition bislang ähnlich viele Geschäfte mit Drittstaaten genehmigt wie Schwarz-Gelb. „Noch kein ganz dramatischer Rückgang“, gesteht Gabriel – verweist aber auf den Rückgang bei Kleinwaffen.
21 Oct 2014
AUTOREN
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Abschiebungen stocken, Minister drohen mit Geldentzug. Dabei sind Wirtschaftsbeziehungen mit Algerien und Marokko für Deutschland wichtig.
Marokko und Algerien sollen nach dem Willen der Union zu sicheren Herkunftsländern erklärt werden. Das ist keine gute Idee.
Deutschland exportiert Rüstungsgüter im großen Stil. Unter anderem auch an Länder mit fragwürdiger Menschenrechtsbilanz.
Die Lieferung von Rüstungsgütern ging 2014 um 22 Prozent zurück. Doch der Anteil der Empfängerstaaten außerhalb von EU und NATO ist unvermindert hoch.
Laut „Bild am Sonntag“ hat die Bundesregierung Waffenexporte nach Saudi-Arabien gestoppt. Die Region sei zu instabil, um dorthin Waffen zu liefern.
Wer ist verantwortlich für den Export von G36-Gewehren nach Mexiko? Ein Gerichtsprozess könnte Licht auf Geschäfte von Heckler & Koch werfen.
Die Regierung darf Rüstungsdeals geheim halten. Der Bundestag kann nur noch hinterhermeckern. Welch ein restriktives Demokratieverständnis.
Welche Rüstungsgüter Deutschland ins Ausland verkauft hat, erfährt die Öffentlichkeit erst nachträglich. Eine Klage dagegen scheiterte jetzt größtenteils.
Sigmar Gabriel hat die Moral in die Debatte um die deutschen Rüstungsexporte geholt. Tatsächlich merkt man noch nicht viel davon.
Die Koalition will die Bundeswehr mit mehr Panzern aufrüsten. Auch die Rüstungsausfuhren unter Gabriel sind kaum gebremst.
Ursula von der Leyen und Sigmar Gabriel streiten, wer die Rüstungsindustrie päppeln muss. Ob sie überhaupt nötig ist, wird nicht diskutiert.