taz.de -- Kommentar Algerien und Marokko: Sicher ist es dort sicher

Marokko und Algerien sollen nach dem Willen der Union zu sicheren Herkunftsländern erklärt werden. Das ist keine gute Idee.
Bild: Merkel und Seehofer bei der CSU-Klausur in Wildbad Kreuth.

Da ist sie uns doch noch ans Herz gewachsen, und jetzt das: Unsere so lieb gewonnene Flüchtlingskanzlerin wird zur Abschiebekanzlerin. Freilich muss nur gehen, wer aus einem sicheren Herkunftsland kam, versteht sich von selbst. Merkel hat doch Herz.

Nur wer definiert was sicher ist und was nicht? Und mit welchen Kriterien geschieht dies?

Mit denen, die allgemein anerkannt sind – sprich den Berichten der Menschenrechtsorganisationen wie Human Rights Watch oder Amnesty International – ganz sicher nicht. Denn wie sonst kommt die Bundesregierung auf die Idee, Ländern wie Marokko oder Algerien, einfach mal so einen Persilschein in Sachen Sicherheit und Menschenrechten auszustellen?

Natürlich herrscht in der Region weitgehend Frieden, das ist richtig. Der Bürgerkrieg in Algerien, der in den 1990er Jahren rund 200.000 Menschenleben gefordert hat, ist vorbei. Der religiös motivierte Terrorismus und die Aktionen von Polizei und Armee fordern jährlich nur noch mehrere Hundert statt wie einst Tausende oder Zehntausende Opfer. Und in Marokko schweigen die Waffen ebenfalls. Die Westsahara ist besetzt, geschossen wird dabei tatsächlich nur noch selten. Aber macht dies aus beiden Ländern sichere Länder?

Regelmäßige Folter

Die großen Menschenrechtsorganisationen berichten von willkürlichen Verhaftungen und regelmäßiger Folter sowohl in Marokko als auch in Algerien. Bei ethnisch motivierten Unruhen in der algerischen Wüste, die oft Pogromen gleichen, sind Polizei und Gendarmerie alles andere als neutral.

Und in der von Marokko besetzten Westsahara werden diejenigen, die – wohl gemerkt gewaltfrei – für die Unabhängigkeit eintreten, verfolgt, gefoltert und oft mit völlig unhaltbaren Anklagen von Militärgerichten hinter Gitter gebracht. In Spanien läuft derzeit das Asylverfahren des jungen Aktivisten Hassanna Aalia, dem dies so erging. Ein Protestcamp 2010 wurde gar mit Militärgewalt geräumt. Bis heute ist die genaue Zahl der Todesopfer unklar.

Natürlich haben beide Länder internationale Konventionen zum Schutz der Menschenrechte unterzeichnet. Aber leider bestätigen ihnen die Menschenrechtsorganisationen auch, dass versprochene Reformen im Sicherheitsapparat, Justizsystem und Haftanstalten ausbleiben.

Verständlich. Es schaut ja keiner so genau hin. Kanzlerin Merkel ist dabei kein Einzelfall. Sie verkauft all dies – zusammen mit ihren europäischen Kollegen – weiterhin als Sicherheit und Respekt vor Menschenrechten und reist, wenn es denn der Industrie gut tut, auch gerne mal in die sicheren Länder China und Saudi-Arabien.

13 Jan 2016

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Reiner Wandler

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