taz.de -- Postenvergabe bei den Grünen: Es ist ein Junge
Erstmals könnte für die Grünen ein Mann Bundestagsvizepräsident werden. Ex-Parteichef Nouripour setzt sich intern gegen zwei Konkurrentinnen durch.
Berlin taz | Bevor es losgeht, demonstrieren Claudia Roth und Omid Nouripour ihre Harmonie. Zur Begrüßung nehmen sie sich am Eingang zum Grünen-Fraktionssaal in den Arm. Seite an Seite bleiben sie dort stehen, bis auch der letzte Fotograf das Motiv eingefangen hat. Anspannung vor der Kampfabstimmung? Ach was. Alles in bester Ordnung, auch wenn sich mit der Augsburgerin, dem Hessen und der Thüringerin Katrin Göring-Eckardt an diesem Montag gleich drei Abgeordnete um den grünen Posten im Bundestagspräsidium bewerben.
Vier Stunden und drei Wahlgänge später verlässt Nouripour als Sieger die Fraktionssitzung. Durchgesetzt hat er sich am Ende gegen Roth. Bei der konstituierenden Sitzung des neuen Bundestags am Dienstag wird der 49-Jährige für die Grünen als Bundestagsvizepräsident kandidieren.
Es ist eines der wenigen halbwegs herausgehobenen Ämter, das die Grünen nach ihrem Gang in die Opposition noch zu vergeben hatten. Das erklärt wohl auch das ungewöhnlich hohe Interesse an dem Job: Meist werden die Kandidaturen für das Bundestagspräsidium im Einvernehmen geklärt. 2013 gab es zwar schon mal zwei Interessentinnen, damals zog Renate Künast ihre Kandidatur aber kurzfristig doch noch zurück [1][und Claudia Roth setzte sich ohne Abstimmung durch].
Sie löste damals Göring-Eckardt ab, die ab 2005 erstmals als Vizepräsidentin amtiert hatte und 2021 wiederum von Roth übernahm, die als Kulturstaatsministerin in die Regierung wechselte. Vor den Beiden amtierte Antje Vollmer 11 Jahre lang, sie war die erste Grüne im Bundestagspräsidium. Wird Nouripour am Dienstag im Plenum gewählt, wäre erstmals ein grüner Mann Bundestagsvizepräsident.
Entscheidung jenseits der Flügellogik
Es ist eine Entscheidung, die nicht im Sinne der klassischen Flügellogik gefallen ist: In der Fraktion hat der linke Parteiflügel, dem auch Roth angehört, eigentlich eine Mehrheit. Nouripour ist wie Göring-Eckardt Realo. Im Vorfeld hatten sich manche Abgeordnete für ihn ausgesprochen, weil er – im November als Parteichef abgetreten – noch am ehesten frischen Wind ins Präsidium bringen könnte. Intern hatte Nouripour selbst unter anderem mit seinem Migrationshintergrund geworben, Göring-Eckardt dagegen mit ihrer ostdeutschen Herkunft.
Beides sind Merkmale, die in der ersten Reihe von Partei und Fraktion derzeit nicht zu finden sind. Fraktionschefin Katharina Dröge kündigte nach der Kür Nouripours am Montag an, dass die Fraktion bei der Besetzung weiterer Posten auf regionale Vielfalt achten werden. Zu vergeben sind noch die Ämter der stellvertretenden Fraktionschef*innen und der Ausschussvorsitzenden.
Im Bundestagspräsidium wird Nouripour künftig mit Julia Klöckner zusammenarbeiten müssen, die [2][von der Union für das Amt der Bundestagspräsidentin nominiert wurde]. Sie stellte sich am Montag auch in der Fraktionssitzung der Grünen vor und musste sich dem Vernehmen nach kritischen Fragen stellen. „Nichts an Julia Klöckners Auftritt in der Grünen Bundestagsfraktion hat mich überrascht. Diese Politikerin ist eine Gefahr für die Demokratie, weil sie die Bedrohung durch die AfD im Parlament immer wieder verharmlost“, schrieb Jakob Blasel, Bundessprecher der Grünen Jugend, [3][im Anschluss auf der Plattform Bluesky].
Ursprünglich hatte Klöckner auch einen Vorstellungstermin in der Fraktionssitzung der AfD geplant, nach öffentlichen Protesten, unter anderem von den Grünen, sah sie davon aber doch ab – offiziell aus Termingründen.
Fraktionschefinnen bestätigt
Drei weitere Posten besetzten die Grünen in ihrer Fraktionssitzung am Montag auch noch – nicht weniger herausgehoben, dafür aber ohne Gegenkandidaturen. Katharina Dröge und Britta Haßelmann bleiben Fraktionschefinnen, sie wurden mit 90,4 Prozent der Stimmen im Amt bestätigt. Erste Parlamentarische Geschäftsführerin wird erneut Irene Mihalic. Sie erhielt 93,9 Prozent der Stimmen.
Die SPD will die 38-jährige Saarländerin Josephine Ortleb fürs Amt der Vizepräsidentin ins Rennen schicken. Fraktionsvorsitzender Lars Klingbeil, der Ortleb vorschlug, sagte am Montag, sie habe in den vergangenen Jahren als Geschäftsführerin gezeigt, dass sie Profi sei. Außerdem habe Ortleb ihren Wahlkreis wiederholt direkt gewonnen. „Sie wird mit dieser Personalentscheidung auch eines der prägenden Gesichter der Sozialdemokratie in den nächsten Jahren sein.“ Die CSU-Landesgruppe schlägt Andrea Lindholz bei einer Gegenstimme für das Amt vor. Lindholz, 54, ist Innenexpertin und stellvertretende Fraktionsvorsitzende. Grundsätzlich steht jeder Fraktion ein Vize-Posten zu.
24 Mar 2025
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