taz.de -- EU-Schuldenregeln: Berlin und Paris einigen sich

Seit 2020 sind die EU-Schuldenregel wegen Pandemie und Ukraine-Krieg ausgesetzt. 2024 sollten sie wieder gelten, weshalb eine Reform drängt.
Bild: Das Gebäude der EU-Kommission in Brüssel

Berlin Reuters | Deutschland und Frankreich haben sich nach monatelangem Ringen auf eine Reform der europäischen Schuldenregeln verständigt. Frankreichs Finanzminister Bruno Le Maire schrieb am späten Dienstagabend auf der Kurznachrichten-Plattform X, er habe mit seinem deutschen Kollegen [1][Christian Lindner] eine „100-prozentige Übereinkunft“ erzielt. Dies sei eine „exzellente Nachricht für Europa, die gesunde öffentliche Finanzen und Investitionen gewährleistet“.

FDP-Chef Lindner war am Abend nach Paris gereist, um den Kompromiss abzuschließen. Lindner sprach von einem produktiven Gespräch. Man habe sich auf die Schlüsselelemente der Reform geeinigt. Damit gebe es nun eine Chance für eine politische Einigung am Mittwoch, wenn die europäischen Finanzminister zu einem virtuellen Sondertreffen zusammenkommen.

Zu den Details der Einigung machten beide Seiten keine genauen Angaben. Lindner hatte sich im Vorfeld zuversichtlich gezeigt, dass eine Übereinkunft der beiden größten europäischen Volkswirtschaften der Vorbote zu einer Grundsatzeinigung aller 27 EU-Finanzminister sein würde. Die konkrete Gesetzgebung könne dann noch vor der Europawahl im Frühsommer 2024 abgeschlossen werden.

Die bisherigen [2][EU-Schuldenregeln], die als überholt und unrealistisch gelten, sind seit 2020 ausgesetzt – zunächst wegen der Corona-Pandemie, später wegen der Folgen des russischen Angriffs auf die Ukraine. Ab 2024 sollen sie wieder greifen, weswegen eine Reform drängt. Erstmals zur Anwendung kämen die neuen Regeln aber erst in der zweiten Jahreshälfte 2024, wenn die Budgetpläne für 2025 von Brüssel bewertet werden müssen.

Schuldenstände deutlich gestiegen

In den vergangenen Jahren sind die Schuldenstände in Europa deutlich gestiegen. Eigentlich gilt in der EU eine Obergrenze beim Haushaltsdefizit von drei Prozent der jeweiligen Wirtschaftsleistung und 60 Prozent beim gesamten Schuldenstand. Gegen diese Vorgaben wurde in der Vergangenheit aber immer wieder verstoßen, ohne dass dies nennenswerte Konsequenzen gehabt hätte.

Strittig war lange vor allem die Frage, wie schnell hoch verschuldete Länder sich den Vorgaben annähern müssen. Besonders südeuropäische EU-Länder fürchten, dass notwendige Investitionen ausbleiben, wenn die Regeln zu streng sind. Frankreich rechnet beispielsweise nicht vor 2027 damit, die Neuverschuldung wieder unter drei Prozent zu bringen und hatte immer wieder betont, mehr Geld in Zukunftstechnologien stecken zu wollen.

Lindner sagte, es werde bei hoch verschuldeten EU-Staaten jedes Jahr Verbesserungen bei den Defiziten und Gesamtschulden geben müssen. „Wir sprechen jetzt noch über die exakten Zahlen“, hatte er vor dem Treffen mit Le Maire gesagt. Es werde aber Sicherheitsnetze geben. Nach dem Treffen schrieb er auf X, es gebe auch Anreize für Reformen und Investitionen.

Die EU-Kommission will früheren Angaben zufolge künftig individuell [3][ausgehandelte Abbaupfade] für EU-Staaten mit zu hohen Haushaltsdefiziten und Schuldenständen. EU-Länder sollen in der Regel in einem Zeitraum von vier Jahren ihre Werte verbessern müssen, teilweise innerhalb von sieben Jahren.

20 Dec 2023

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