taz.de -- Neue Musik aus Berlin: Wenn Klangfetzen schimmern
Mary Ocher lässt es klingeln und klöppeln: Auf ihrem Album „Approaching Singularity: Music for the End Time“ kreiert sie ihre eigene Welt aus Sound.
Zum Auftakt von [1][„Approaching Singularity: Music for the End Time“] läuten die Kirchenglocken, dazu hört man schnelle Schritte. Die fungieren als Taktgeber in dem lediglich eine Minute langen Opener, in dem sich immer wieder neue Klangfetzen überlagern: rumpelige Instrumentals ebenso wie theatralischer Gesang.
Aufgenommen wurde dieses kaleidoskopische Field Recording von der russischstämmigen, in Israel aufgewachsenen Berlinerin Mary Ocher bei einem Spaziergang entlang dem Gebäude der „School of Music“ in Gent. Da drang aus jedem Übungsraum ein anderer Sound – welch passender Auftakt für die eklektischen Klangwelten, die Ocher folgen lässt. Sie schafft mit analogen Synthesizern oft ambienthafte Texturen, in die neben Techno und sakral anmutendem Gesang auch rhythmische Klöppeleien, Krautiges und Kammermusik einfließen – ein wilder Ritt.
Wie oft bei Ochers Musikschaffen ist das begleitet von einem Überbau in Gestalt eines langen, durchaus lesenswertes Essays: In dem widmet sich Ocher unter anderem dem Albumthema der „Technologischen Singularität“, die bisweilen auch einfach nur „singularity“ genannt wird. Gemeint ist damit der Zeitpunkt, an dem die künstliche Intelligenz die menschliche überholt.
Neben konkreter Zukunftsangst beackert Ocher zudem Autoritarismus, Genderdiskurse und mehr. In ihrem Essay stellt sie „einen Haufen Fragen und gibt wenige Antworten“ – so wie es auch ihre stets in der Schwebe bleibende Musik tut. Und diese Musik verbreitet trotz der dunklen Grundierung irgendwie ein tolles Schimmern.
30 Dec 2023
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