taz.de -- Neue Musik aus Berlin: Introspektiv am Schlagzeug
Indie-Schlagzeuger Robert Kretzschmar legt sein Debüt „Homecoming“ vor. Statt großem Spektakel wählt er bedachte Texte und folkig fordernde Töne.
„Berlins liebster Drummer“ wird Robert Kretzschmar gerne genannt: Eine Bezeichnung, die vielleicht gleichermaßen auf den ähnlich breit aufgestellten Chris Imler zutrifft, zumindest was die Beliebtheit unter den Indiepop-Kolleg:innen angeht. Doch in [1][Kretzschmars] Fall taugt dieses Adjektiv darüber hinaus zum Beschreiben seines sanften, fast liebevoll klingenden Schlagzeugspiels. Mit Kat Frankie, Masha Qrella, Otto von Bismarck und Anna Erhard hat Kretzschmar schon zusammengespielt, zudem arbeitet er immer wieder für Theaterproduktionen.
Nun erscheint das Debüt des 40-jährigen gebürtigen Thüringers, „Homecoming“. Das klingt nicht nach dem großen Aufschlag, den man von einem ersten Solo-Statement eines Schlagzeugers vielleicht erwartet, sondern freundlich, introspektiv, melancholisch, verhalten schillernd.
In den charmant unperfekt englisch betexteten Songs – Kretzschmars Gesang erinnert manchmal an Markus Acher von The Notwist – pendelt er zwischen Teilnahme und Beobachtung, Selbsterforschung und Alltagskommentar: etwa, wenn er sich fragt, ob man mit Jugendlichen überhaupt kommunizieren kann ([2][„Teenagers“]). Oder an heiß laufenden politischen „Diskussionen“ leidet und der Ermüdung, die sie mit sich bringen („Believe“).
In „Do Me a Favour“, einem Song übers langsame Scheitern einer Beziehung, nimmt er Bezug auf David Bowies „Heroes“: „You can swim, but you can’t swim like a dolphin“. Und „Techno“ fragt er sich nonchalant, ob es das Schlangestehen vorm Club wert ist – eingebettet in folkige Melodien, die sich langsam und doch fordernd in die Gehörgänge arbeiten.
4 Nov 2023
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