taz.de -- Neue Musik aus Berlin: Das Königreich des Tanzes

Das Debütalbum der aus Japan stammenden DJ und Produzentin Saeko Killy zeugt von der Liebe zu den rumpeligeren Spielarten der achtziger Jahre.
Bild: Saeko Killy

Von manchen Dingen mögen die Leute nicht mehr hören. Die Pandemie zählt mit einiger Wahrscheinlichkeit dazu. Doch kann es nicht schaden, daran zu erinnern, dass in dieser Zeit, in der in der Kultur wenig bis gar nichts ging, das eine oder andere Projekt entstanden ist.

Auch das Debütalbum der in Berlin lebenden japanischen DJ und Produzentin Saeko Killy verdankt sich Lockdown und Stillstand. Die als Kind und Jugendliche an Klavier und Gitarre geschulte Saeko Killy hatte schon in Japan großes Interesse an Techno der abseitigeren Art entwickelt. Als sie 2018 nach Berlin zog, begann sie in Clubs aufzulegen und aufzutreten. Damit war zwei Jahre später bekanntlich erst einmal Schluss.

Viele Musiker, die bis dahin vornehmlich beatgestützte Tracks für die Tanzfläche geliefert hatten, besannen sich in der Party-Abstinenz auf ruhigere Klänge, änderten mitunter komplett die Richtung. Für Saeko Killy war die Zwangspause vom Plattentellereinsatz hingegen kein Grund, sich von bewegungsförderlichen Rhythmen zu verabschieden.

Auf „Morphing Polaroids“ herrscht der Groove. Es ist eine Sammlung von Songs, in denen sie mehr spricht als singt, mit Instrumenten, die zu gleichen Teilen elektronisch wie akustisch zu sein scheinen. Über den Drumcomputer, der manchmal an „echte“ Trommeln erinnert, legt sie gern vernebelte Synthesizerakkorde und Gitarrentöne.

Eine Liebe zu den rumpeligeren Spielarten der achtziger Jahre ist vorhanden, die Neigung zur verhallten Reggae-Spielart Dub, wie sie einst etwa im Post-Punk als Stilmittel integriert wurde, hat Saeko Killy durchaus.

Die Vergangenheit möchte sie aber nicht einfach wiederaufleben lassen, stattdessen führt sie sie mit selbstbewusster Haltung in die Gegenwart.

9 Apr 2023

AUTOREN

Tim Caspar Boehme

TAGS

taz Plan
Kolumne Berlinmusik
elektronische Musik
Popmusik
Kolumne Stadtgespräch
taz Plan
taz Plan
taz Plan
taz Plan
taz Plan
taz Plan
taz Plan
taz Plan
taz Plan
taz Plan
Schottland

ARTIKEL ZUM THEMA

Ausgehen in Japan: Auf Safari im Technoclub

Unsere Autorin konnte nicht verstehen, warum junge Menschen in Japan keine Clubempfehlungen geben können. Nach einem Tanzabend wurde es ihr klar.

Konzertempfehlungen für Berlin: Der Klang des Klimas

Diese Woche geht's vor die Tore der Stadt zu den „Klanglandschaften“. In Berlin gibt es derweil hochkarätige Improvisationen unterschiedlichster Art.

Neue Musik aus Berlin: Die Vorzüge barocker Musik

Pianist Seong-Jin Cho nähert sich auf seinem Album „The Handel Project“ den Barockkompositionen Händels an. Sein Anschlag schwebt in Richtung Cembalo.

Konzertempfehlungen für Berlin: Träumen und Tasten

Viele Konzerte in dieser Woche greifen hinein ins Unbewusste, in diverse Tasten oder testen die Grenzen von Streichern aus.

Konzertempfehlungen für Berlin: Schallplatten in Scheiben

Diese konzertreiche Woche steht im Zeichen der Salonmusik, der kaputten Musik, des Schallplattenkonzerts – und Jazz gibt es auch zu hören.

Neue Musik aus Berlin: Raschelnder Ernst

Ernstalbrecht Stiebler und Tilman Kanitz schlagen auf ihren Alben puristische Töne an. Das klingt intim und weckt Aufmerksamkeit für feine Variationen.

Neue Musik aus Berlin: Der Zweifel gibt den Ton an

Auf die jüngere Berliner Postpunk-Szene ist Verlass. Das zeigt auch „Talisman“, das Debütalbum der Band Die Letzten Ecken.

Konzertempfehlungen für Berlin: Musik für Flöten und Gelbe Seiten

Patti Smith kommt mit dem Soundwalk Collective, Witch ‚n‘ Monk in den Fluid Form Club. Und Sven-Åke Johansson spielt traditionelle Telefonbuchmusik.

Konzertempfehlungen für Berlin: Drones, Bässe und Fjorde

Die Konzerte dieser Woche würdigen verdiente alte Männer. Und das Andromeda Mega Express Orchestra gibt mit „Massive Star“ den Startschuß für Ostern.

Neue Musik aus Berlin: Es atmet die Biestigkeit

Auf „Tender Mercies“ bringen Frank Gratkowski und Simon Nabatov auch Nebengeräusche zum klingen. Die Klänge verweilen kurz, dann galloppieren sie los.

Konzertempfehlungen für Berlin: Am Abend, da es kühle war

Ostern ohne Matthäus-Passion ist möglich, aber man verpasst etwas. Vor allem beim RIAS Kammerchor. Das Trio KUF bringt derweil Samples zum Grooven.

Seltsame Musik vom Schotten Bill Wells: So verstehen uns Aliens besser

Sonderlinge gibt es im Pop einige, aber keiner ist so verschroben wie Bill Wells. Deshalb werden hier gleich zwei Alben von ihm vorgestellt.