taz.de -- Ukrainische Geflüchtete in Deutschland: Aufnahme droht Städte zu überlasten
Der Gemeindebund warnt vor Folgen von Wohnungsnot und Lehrkräftemangel für geflohene Ukrainer*innen. Integration sei „Dauerthema“.
Berlin taz | Fachkräftemangel und Wohnungsnot erschweren den Kommunen die Integrationsbemühungen für [1][ukrainische Geflüchtete.] So fehlten etwa Lehrer*innen und Räume, um den hier neu angekommen rund 200.000 Kindern schnell Deutsch beizubringen, sagte am Mittwoch Uwe Brandl, der Präsident des Städte- und Gemeindebunds.
Die Eltern der Kinder hätten derweil wegen der Mietenkrise kaum Chancen, eine Wohnung zu finden, weshalb die Kommunen weiter für die Unterbringung sorgen müssen. Das Resultat: Man sei an der „Grenze der Leistungsfähigkeit“, so Brandl, „die gesellschaftliche Akzeptanz droht gefährdet zu werden“.
Der Geschäftsführer des Bunds, Gerd Landsberg, warnte, die Hürden für Ukrainer*innen, in den deutschen Arbeitsmarkt einzusteigen, seien weiter zu hoch. Unterschiede beim Lehramtsstudium verhinderten etwa, dass die Abschlüsse ukrainischer Lehrer*innen in Deutschland einfach anerkannt würden. Landsberg lobte deshalb lokale Initiativen, im Zuge derer geflüchtete Lehrkräfte zunächst als sogenannte Lehrassisten*innen an deutschen Schulen arbeiten.
Eine Studie des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bamf) und des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung hatte Mitte Dezember gezeigt, dass etwa ein Drittel der rund 1,1 Millionen nach Deutschland geflüchteten Ukrainer*innen dauerhaft bleiben möchte. Ein weiteres Drittel rechnet damit, mindestens bis Ende [2][des Kriegs] in der Ukraine in Deutschland zu leben. Rund ein Viertel der erwerbsfähigen ukrainischen Männer, die nach Deutschland geflohen sind, haben hier bereits eine Arbeitsstelle gefunden, bei den Frauen sind es 16 Prozent.
Landsberg forderte am Mittwoch, die Integration von Geflüchteten nicht als bloß temporäre Herausforderung misszuverstehen. „Niemand weiß, wie der Krieg weitergeht.“ Bund und Länder müssten deshalb die Erstaufnahmekapazitäten deutlich erhöhen. Und auch wenn der Krieg in der Ukraine ende, werde die Aufnahme, Unterbringung und Integration von Geflüchteten in Zukunft wohl „Dauerthema“ bleiben. Große Fluchtbewegungen nach Deutschland seien weiter zu erwarten, auch weil der Klimawandel globale Krisen verschärfe.
4 Jan 2023
LINKS
AUTOREN
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Seit Beginn des russischen Angriffs sind über eine Million Ukrainer*innen nach Deutschland geflohen. Wie es ihnen hier ergeht, zeigt eine Studie.
Aus dem Krieg über die Grenze in die ungarische Kleinstadt Záhony. Hier bekommen Flüchtlinge Essen und Obdach. Denn in Záhony geht es menschlich zu.
In Deutschland in Sicherheit? Immer wieder werden iranische Oppositionelle hier von Geheimdiensten des Mullah-Regimes bedroht.
Auf einem Bauernhof in Rinteln möchte Ekkehard Neugebauer privat 100 ukrainische Geflüchtete unterbringen. Der Landkreis lehnt das Angebot ab.