taz.de -- Neue Musik aus Berlin: Schwelgen in der Schlaflosigkeit
In ruhelosen Nächten komponierte Sebastian Studnitzky sein neues Jazz-Album „Nocturnal“. Das Ergebnis ist moody, luzide – und ein bisschen Techno.
Sebastian Studnitzky ist ein umtriebiger Macher: Der studierte Trompeter und Pianist betreibt ein Label, unterrichtet – unter anderem – am hiesigen Jazz-Institut und ist Gründer und künstlerischer Leiter des wunderbar vielfältigen Festivals XJAZZ.
Von so jemandem vermutet man ja, dass er nachts den Schlaf der Gerechten schläft. Doch weit gefehlt. Vielleicht war ja die Isolation, der verordnete Zwang zur Untätigkeit während der langen Lockdowns Schuld. Jedenfalls trieb Studnitzky die Schlaflosigkeit um – und so entstanden in ruhelosen Nächsten elf Tracks, von denen er einige zeitnah online stellte. Nun hat er sie auf dem Album „Nocturnal“ veröffentlicht.
Mal klingen die Stücke luzide, mal unruhig und moody – passend zu diese seltsamen Stunden, in denen der Schlaf nicht kommen will und der Blick auf die Welt ein anderer wird. Manche Tracks wirken schwelgerisch, im positiven Sinne kitschig – auch diese Gefühlswelten gehören in die Nacht. Dann wieder scheint manchem Stück der kalter Schweiß auszubrechen, Nervosität und unterschwellige Paranoia machen sich breit, in Form eines fast technoiden Puckerns.
Meist überwiegt jedoch das Elegisch-gedämpfte. Eine sehnsuchtsvolle, brüchig tönende Trompete macht Assoziationsräume auf, in denen neben Instrumenten auch die menschliche Stimme ihren Raum bekommt – aber eben ohne Worte.
Alltagsgeplapper gehört einfach nicht in diese einsamen Stunden. Ein breites Spektrum an Gefühlslagen verbindet der Track „Flusso“, der damit auch so etwas wie das emotionale Zentrum dieses schönen Albums ist.
10 Jul 2022
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