taz.de -- Indigene in Brasilien: Die Spur verliert sich im Regenwald
Ein britischer Journalist und ein Indigenenexperte werden seit Tagen vermisst. Aktivist*innen schlagen Alarm, die Behörden agieren nur zögerlich.
Berlin taz | Die Nachricht machte am Montag schnell die Runde: Der britische Journalist Dom Phillips und der brasilianische Indigenenexperte Bruno Pereira werden [1][im Amazonas-Regenwald] vermisst. Die beiden waren seit letztem Freitag im abgelegenen Javarital nahe der Grenze zu Peru unterwegs, um für ein Buch über Konflikte in indigenen Territorien zu recherchieren.
Der 57-jährige Phillips ist freier Korrespondent der britischen Tageszeitung The Guardian und berichtet seit mehr als 15 Jahren aus Brasilien. Das bereitet vielen Beobachter*innen Sorgen: In der von den Männern bereisten Region kommt es regelmäßig zu schweren [2][Konflikten zwischen Indigenen, Bergleuten und Holzfällern]. Außerdem soll Pereira, ehemaliger Mitarbeiter der staatlichen Indigenenbehörde Funai, seit Langem massive Morddrohungen erhalten haben. Die beiden Männer waren mit einem Satellitentelefon unterwegs.
Alessandra Sampaio, die Frau des Journalisten, wandte sich in einem Statement an die Öffentlichkeit: „Während ich diesen Aufruf mache, werden sie seit mehr als 30 Stunden vermisst. […] Im Wald zählt jede Sekunde, jede Sekunde könnte den Unterschied zwischen Leben und Tod bedeuten.“ Sie forderte die brasilianischen Behörden auf, alles zu tun, um die beiden Männer ausfindig zu machen.
Derweil wird Kritik am Vorgehen der Behörden laut. So seien zwar sieben Soldaten der Marine in die Region geschickt, aber kein Helikopter oder Flugzeug eingesetzt worden. Die Bundespolizei ermittelt, soll sich aber bisher noch nicht an der Suchaktion beteiligen.
Eigene Suchaktionen
Indigene starteten unterdessen eigene Suchaktionen mit Booten. Ex-Präsident Luiz Inácio „Lula“ da Silva, der als Favorit für die Präsidentenwahl im Oktober gilt, forderte die Behörden auf, „alles“ zu tun, um die Vermissten zu finden. Laut der Tageszeitung O Globo wurden am Montag zwei Fischer in der Region von der Polizei festgenommen. Sie sollen wieder auf freiem Fuß sein.
Die Region Javari ist ein riesiges Dschungelgebiet von der Größe Österreichs. Mehr als 20 indigene Gruppen leben dort. Die meisten haben sich in freiwilliger Isolation tief in den Urwald zurückgezogen. In den vergangenen Jahren haben die Landkonflikte in der Region zugenommen. Das hat auch mit der Wahl des Rechtsradikalen Jair Bolsonaro zu tun, der gegen Indigene und Umweltschützer*innen wettert und seine Landleute dazu aufruft, sich Land illegal anzueignen.
So dringen immer mehr Goldgräber und Holzfäller in den Regenwald vor, oft auch in die geschützten Gebiete Indigener. Der Stützpunkt der Funai im Javarital wurde mehrfach angegriffen und 2019 der Indigenenaktivist Maxciel Pereira dos Santos brutal ermordet.
8 Jun 2022
LINKS
AUTOREN
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Anfang Juni verschwanden ein Journalist und ein Experte für Indigene spurlos im brasilianischen Amazonasgebiet. Nun wurden sie gefunden: tot.
Die Regierung Bolsonaro fährt zwar mit einem Umweltplan zur Klimakonferenz nach Glasgow. Allerdings steht da nichts zur Abholzung des Regenwalds drin.
Die Bevölkerung am Rio Negro hungert, viele sind an Covid-19 gestorben. Ein Boot versorgt die Dörfer mit dem Allernötigsten.
In Brasilien haben Landräuber das Dorf der bekannten Aktivistin Maria Leusa überfallen. Seit Wochen nimmt die Gewalt gegen Ureinwohner zu.