taz.de -- Klimaschurke Brasilien: Für die Ausbeutung des Amazonas
Die Regierung Bolsonaro fährt zwar mit einem Umweltplan zur Klimakonferenz nach Glasgow. Allerdings steht da nichts zur Abholzung des Regenwalds drin.
Brasilia taz | Geliebt, reich, begehrt: So bezeichnete Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro den Amazonas-Regenwald erst vor zwei Wochen. Für Bolsonaro hat der größte Regenwald der Welt einen zentralen Stellenwert. Doch im Gegensatz zu Umweltschützer*innen und Indigenen kämpft der Ex-Militär für eine wirtschaftliche Ausbeutung der Region.
So fordert Bolsonaro Brasilianer*innen geradezu auf, sich illegal Land anzueignen, beschimpft regelmäßig Umweltschützer*innen und vergleicht Indigene mit Zootieren. Das Ökosystem Amazoniens hat Auswirkungen auf den ganzen Planeten. Die meisten Forscher*innen sind sich sicher: Ein Verlust des Regenwaldes hätte dramatische Konsequenzen für das weltweite Klima. „Die Bolsonaro-Regierung hat nur die Wirtschaft im Blick und denkt in keiner Weise an die Auswirkungen des Klimawandels“, sagt Marcelo Rocha der taz.
Der 24-Jährige ist Aktivist von Fridays for Future Brasil und befindet sich derzeit beim Klimagipfel COP in Glasgow. Laut Rocha sind auch in Brasilien die Auswirkungen des Klimawandels zu spüren. Extremwetterlagen wie Hitzewellen oder Unwetter werden immer häufiger.
Die [1][NGO Climate Observatory] veröffentlichte am Donnerstag einen Bericht, wonach Brasiliens Treibhausgasausstoß im vergangenen Jahr trotz Coronapandemie um 9,5 Prozent gestiegen ist. Grund: die zunehmende Abholzung, insbesondere im Amazonas-Regenwald. Damit sei Brasilien eine der wenigen großen Volkswirtschaften, in der die Verschmutzung während der Pandemie nicht zurückging.
Bolsonaro in der Kritik
Der Klimawandelskeptiker Bolsonaro steht international massiv wegen seiner Umweltpolitik in der [2][Kritik]. Viele Unternehmen drohen bereits, sich aus Brasilien zurückzuziehen, sollte das Land die Umweltziele nicht einhalten. Ist eine Kehrtwende zu erwarten?
Bolsonaros Vize Hamilton Mourão erklärte in der vergangenen Woche, die [3][illegale Abholzung des Amazonas-Regenwaldes in zwei oder drei Jahren zu beenden]. Laut dem Klimaaktivisten Rocha hat diese Ankündigung eine einfache Erklärung: „Die Bolsonaro-Regierung reduziert die illegale Abholzung, indem sie sie einfach legalisiert.“
Umweltvorschriften würden immer weiter gelockert, der Regenwald werde immer weiter zerstört. Auch weil die Regierung Umweltbehörden wie die Ibama oder die Indigenenbehörde Funai entmachtet hat, indem sie ihnen die schon spärlichen Mittel radikal kürzte.
Die Konsequenz: Es gibt immer weniger Kontrollen, immer weniger Bußgelder. Holzfäller, Viehzüchter und Goldgräber verstehen das als Freifahrtschein. Am Dienstag sorgte Bolsonaro mal wieder für Aufsehen, als er ein indigenes Gebiet besuchte, in dem sich zahlreiche illegale Goldminen befinden.
„Nationales Programm zum grünen Wachstum“
Die Goldgräber waren in die Region eingefallen, nachdem Bolsonaro ihnen eine Legalisierung versprochen hatte. Indigene klagen über verheerende Konsequenzen des Bergbaus für Mensch und Natur.
Brasiliens Umweltminister Joaquim Leite präsentierte derweil ein „Nationales Programm zum grünen Wachstum“, das bei der COP in Glasgow vorgestellt werden soll. Es blieb jedoch unklar, worum es sich handelt.
„Nichts wurde über die Abholzung oder die Ziele zur Senkung der Emissionen gesagt“, kritisiert der Direktor des Klimaobservatoriums Marcio Astrini im Interview mit dem Fernsehsender Globo. Dessen Fazit: „Sie haben nichts zu sagen oder anzubieten für die Klimakonferenz.“
1 Nov 2021
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