taz.de -- Mehr Mittel für die Bundeswehr: Auch Windräder sind Waffen

Mit einer enormen Mittelaufstockung soll die Bundeswehr unsere Freiheit besser verteidigen. Doch auch erneuerbare Energien garantieren sie.
Bild: „Erneuerbare Energien sind Freiheitsenergien“, sagte Christian Lindner heute im Bundestag

Ein Sondervermögen von 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr, künftig mehr als zwei Prozent der deutschen Wirtschaftsleistung fürs Militär: Das ist enorm. Jahrelang tänzelte die deutsche Politik um die Zwei-Prozent-Marke herum, ihre Erfüllung stand aber nie wirklich zur Debatte. Der Krieg in der Ukraine ändert jetzt alles. Der Kanzler fühlt sich angesichts der neuen Realität gezwungen, keine 100 Tage nach dem Regierungsantritt alles Bisherige mitsamt den Vereinbarungen im gerade erst unterschriebenen Koalitionsvertrag umzuwerfen.

Das Tröstliche: Die 100 Milliarden werden nicht unbedingt an anderer Stelle fehlen. Der Trick mit dem Sondervermögen könnte es ermöglichen, die Schuldenbremse zu umgehen und höhere [1][Militärausgaben] durch neue Kredite zu finanzieren. Das Grundgesetz ermöglicht diesen Weg nur für „außergewöhnliche Notsituationen“ – wie einen Krieg.

Aber auch wenn der Schritt möglicherweise nicht zu Kürzungen in anderen Bereichen führt, und auch wenn verbesserte militärische Fähigkeiten zur Bündnisverteidigung ein legitimes Ziel sind: Wie rasant der Krieg Stimmungslagen ändert, wie wenig Einwände und Rückfragen noch zu vernehmen sind, ist auch ein Grund zur Sorge. Am Ende muss über Scholz’ Ankündigung der Bundestag entscheiden. Er tut es hoffentlich nach sorgfältiger Diskussion.

Und hoffentlich verengt sich die Debatte nicht nur auf militärische Lösungen. Die letzten Tage haben offengelegt, dass auch die verschleppte Energiewende ein Sicherheitsrisiko ist, weil Deutschland von russischen [2][Rohstofflieferungen] abhängt. Ob der Krieg in der Ukraine auch hier zu einem radikalen Umdenken führt, ist ungewiss. Im Bundestag kam das Thema in der Rede von Oppositionsführer Friedrich Merz gar nicht vor, bei Olaf Scholz nur am Rande. Immerhin: Neben den Grünen hat es nun auch Christian Lindner im Blick. „[3][Erneuerbare Energien] sind Freiheitsenergien“, sagte er. Hoffentlich erinnert sich der Finanzminister noch daran, wenn er demnächst seinen Haushaltsentwurf vorlegt.

28 Feb 2022

LINKS

[1] /Entscheidung-zu-Waffenlieferungen/!5837708
[2] /Nach-dem-Stopp-von-Nord-Stream-2/!5833856
[3] /!s=Koalitionsvertrag/

AUTOREN

Tobias Schulze

TAGS

taz на русском языке
Bundestag
Bundeswehr
Rüstung
Koalitionsvertrag
klimataz
Bundeswehr
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
Schlagloch
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
Bundesregierung
Bundeswehr
Wolodymyr Selenskyj
Bosporus

ARTIKEL ZUM THEMA

Studie zu Verteidigungsbudgets: Militärausgaben im Visier

Die Nato gibt mehr Geld für Verteidigung aus als Russland – und diskutiert dennoch über Aufrüstung. Braucht es mehr Mittel oder mehr Effizienz?

Grüne und der Krieg in der Ukraine: Offener Brief gegen offenen Brief

Die Grünen ringen um ihren Kurs: Eine Basisgruppe kritisierte deutsche Waffenlieferungen. Die Gegenseite reagiert mit einer Solidaritätsnote.

Aufrüstung der Bundeswehr: Das große Sprechen

Inmitten des Kriegs gegen die Ukraine lässt der Sound der Wehrhaftigkeit kaum Platz für Diskussionen. Klimafeindliche Rüstung geht kritiklos durch.

100 Milliarden Euro für die Bundeswehr: Schlechte Ausstattung für viel Geld

Das Beschaffungswesen ist die Achillesferse der Bundeswehr. Nun soll die Bürokratie modernisiert werden. Doch daran sind schon einige gescheitert.

Regierungserklärung zum Ukrainekrieg: Scholz, der Kriegskanzler

Die pazifistische Tradition der SPD endet im Februar 2022. Aus gutem Grund. Nur: Aus einer Ausnahmesituation darf jetzt kein Militarismus werden.

Entscheidung zu Waffenlieferungen: Krieg treibt Rüstungsdebatte an

Nun fordern auch Regierungsmitglieder, den Bundeswehretat zu erhöhen. Experten mahnen: Die Probleme liegen nicht nur bei den Finanzen.

+++ Nachrichten zum Ukraine-Krieg +++: EU finanziert Waffen für Kiew

Die EU will die Ukraine mit einer halben Milliarde Euro unterstützen – und die Sender RT und Sputnik verbieten. Die Türkei droht Moskau mit der Sperrung von Meerengen.

Nachrichten zum Angriff auf die Ukraine: Berlin liefert Waffen an Ukraine

Die westlichen Staaten haben beschlossen, russische Banken aus dem Zahlungssystem Swift auszuschließen. Deutschland bereitet die Sperrung des Luftraums für russische Flugzeuge vor.