taz.de -- Sondierungsgespräche in Berlin: Psst, ganz geheim!
Nach der Abgeordnetenhauswahl spricht die SPD an diesem Montag mit CDU und FDP. Die Sondierungen mit Linken und Grünen verliefen vielversprechend.
Berlin taz | Die Sondierungen im Anschluss an eine Wahl sind eine politisch besonders heikle Zeit. Nach einer Phase der Abgrenzung im Wahlkampf geht es nun darum, Gemeinsamkeiten herauszufinden, und das möglichst im Geheimen. Über die Verhandlungen ist daher Stillschweigen vereinbart, und da die Runden anders als später die Koalitionsverhandlungen sehr klein sind, wäre schnell klar, wer geplaudert hat.
Am Freitag verhandelte die SPD als Siegerin der Abgeordnetenhauswahl [1][erst einzeln mit den bisherigen Koalitionspartnern, den Grünen und Linken]; am Montag soll es weitergehen mit CDU und FDP. Da alle Parteien bemüht sind, sich möglichst viele Machtoptionen offenzuhalten, sind die kurzen Stellungnahmen nach diesen Gesprächen mit Vorbehalt zu bewerten. Aber was Grüne und Linke angeht, kann man wohl sagen: Es besteht eine sogar begründete Hoffnung, dass R2G als Rot-Grün-Rot in eine Verlängerung gehen könnte.
So dauerte die Freitagsrunde von SPD und Grünen in der Landesgeschäftsstelle der Sozialdemokraten im Wedding fünfeinhalb Stunden. Grünen-Spitzenkandidatin Bettina Jarasch sprach im Anschluss von einem konstruktiven Austausch, der sich an den großen Zukunftsthemen Berlins orientiert habe. „Bei manchen Themen gab es auch [2][Konfliktpunkte]“, sagte sie. „Wir haben sehr konstruktiv darüber gesprochen und lösungsorientiert. Und es hat sich gezeigt, es kann Lösungen geben. Ich sehe kein Thema, wo es keine Lösungen geben kann.“ Kommende Woche wollen sich SPD und Grüne erneut treffen.
Das Sondierungsgespräch mit der Linken dauerte mit fast fünf Stunden ähnlich lang. Die Linke-Vorsitzende Katina Schubert sagte anschließend: „Es war ein sehr freundliches und konstruktives Gespräch, und wir werden uns weiter treffen.“ Fast gleich lautend äußerte sich Linken-Spitzenkandidat Klaus Lederer.
Schlechtestes Ergebnis seit 1945 für die SPD
Die SPD hatte die Wahl am Sonntag vor einer Woche trotz ihres schlechtesten Nachkriegsergebnisses von 21,4 Prozent gewonnen. Die Grünen konnten zwar den lange erhobenen Anspruch, ins Rote Rathaus einzuziehen, nicht einlösen, legten aber deutlich zu. Die CDU blieb etwa auf dem Stand von vor fünf Jahre, ähnlich wie die FDP. Die Linkspartei verlor im Vergleich zur Bundespartei nur leicht.
Giffey kann sich nun aber die Koalitionspartner aussuchen. Möglich sind drei Dreierbündnisse: So könnte die SPD wie bisher mit Grünen und Linken koalieren, aber auch mit CDU und FDP oder mit Grünen und FDP.
Worauf hoffen CDU und FDP?
Entsprechend entgegenkommend dürften am Montag CDU und FDP auftreten. Sie könnten darauf setzen, dass zentrale Positionen des SPD-Programms etwa in den Bereichen Sicherheit, Stadtentwicklung und Verkehr leichter mit ihnen durchzusetzen wären als mit Grünen und Linken. Allerdings gibt es auch in der SPD Vorbehalte gegen eine Zusammenarbeit mit einer der beiden oder gar beiden Parteien. Mitte Oktober will die SPD dann festlegen, mit wem sie Koalitionsverhandlungen aufnimmt.
4 Oct 2021
LINKS
AUTOREN
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Eigentlich wollten SPD und Grüne am Freitagabend ein gemeinsames Votum zu Koalitionsgesprächen abgeben. Doch es kam anders.
Viele beklagen sich darüber, dass Details aus den Sondierungsgesprächen durch die Presse geleakt werden. Doch schuld ist die Politik.
Am Freitag will die SPD sagen, mit wem sie Dreiergespräche führen möchte. Eine Ampel liegt nahe – ist aber die schlechteste aller Optionen.
Warum macht die Partei ihre Spitzenkandidatin Bettina Jarasch nicht mit einer Jamaika-Koalition zur ersten grünen Ministerpräsidentin in Deutschland?
Die nächste Koalition muss eine klare Linie zum Enteignen-Volksentscheid haben. Die Glaubwürdigkeit der SPD steht auf dem Spiel.
In der Politik werden die Möglichkeiten der nächsten Koalition ausgelotet, Hunde kriegen einen Segen – und Elon Musk persönlich lädt zur Teslashow.
Die Sondierungsgespräche laufen. Bei allen Parteien gibt es heikle Themen, an denen eine Koalition scheitern könnte. Eine Übersicht – samt Prognose.
Eine Mehrheit in Berlin ist für die Vergesellschaftung großer Wohnungskonzerne. Fast alle Parteien winken ab. Was bedeutet das für die Demokratie?
Seit 1. Oktober wird sondiert. Giffey hält sich auch eine Koalition mit FDP oder CDU offen. Doch da könnte ihr die SPD-Basis in die Quere kommen.
Am Freitag begann die Berliner SPD mit ihren Sondierungen. Grüne sprechen von einem konstruktiven Austausch.