taz.de -- Neue Studie zu Rüstungsausgaben: Mehr Militär, weniger Diplomatie

Die Ausgaben für das Militär steigen weltweit auf ein neues Rekordniveau. Das Geld wird beim Kampf gegen Armut und die Erderwärmung fehlen.
Bild: Neues Rekordniveau: Militärausgaben steigen weltweit

Die Umsätze der Rüstungsindustrie steigen weiter: [1][Einer neuen Auswertung des Stockholmer Friedensforschungsinstitut Sipri] zufolge nahmen die 25 größten Rüstungskonzerne der Welt im vergangenen Jahr 361 Milliarden Dollar ein – 8,5 Prozent mehr als noch 2018. Ein Teil des Anstiegs ist zwar auf Fusionen zurückzuführen, die neue Konzerne in die Top 25 geschleudert haben. Vor allem aber stecken die Staaten weltweit mehr Geld ins Militär, weil Konflikte zunehmen, internationale Kooperation nicht mehr funktioniert und Waffen zunehmend komplex und damit teuer werden.

Diese neue Aufrüstung, von der vor allem US-Konzerne, gefolgt von europäischen und chinesischen, profitieren, ist zum einen gefährlich: Sollte das Abschreckungskalkül nicht funktionieren, steigert sie das zerstörerische Potenzial von Konflikten. Zum anderen verringert sie die Sicherheit in anderen, nichtmilitärischen Bereichen. [2][Jeder Euro, jeder Dollar und jeder Yuan, der in Waffen gesteckt wird, fehlt] schließlich für Investitionen in anderen Bereichen – womöglich für die Armutsbekämpfung, für den Klimaschutz oder für die Gesundheitssysteme.

Friedensforscher des Internationalen Konversionszentrums Bonn haben erst in der vergangenen Woche die Coronapandemie zum Anlass genommen, einen möglichen Zusammenhang zwischen Militarisierung und Gesundheitssicherheit zu untersuchen. Sie haben zwar keinen linearen Zusammenhang festgestellt und auch keine Kausalitäten nachgewiesen. Aber: Tendenziell steht es um die Gesundheitssicherheit vor allem in denjenigen Staaten gut, die in Relation zu ihrer absoluten Leistungsfähigkeit nur [3][durchschnittlich viele Ressourcen ins Militär stecke]n.

Was daraus folgt? Entspannungspolitik, internationale Kooperation und Rüstungskontrolle sind nicht nur als friedenspolitischer Selbstzweck sinnvoll. Sie könnten auch eine Friedensdividende freisetzen, die dann für die Finanzierung einer erweitert verstandenen Sicherheit zur Verfügung stünde. In der Coronakrise, die die Haushaltsspielräume ohnehin verringert, wäre das gleich doppelt vonnöten.

7 Dec 2020

LINKS

[1] https://www.sipri.org/yearbook/2020
[2] /Weltweiter-Ruestungsausgaben-Rekord/!5678650
[3] /Ruestungsausgaben-im-Vergleich/!5678811

AUTOREN

Tobias Schulze

TAGS

Rüstungspolitik
Sipri
Friedensforschung
Bundeswehr
Waffenhandel
Ägypten
Ostermärsche
Rüstungsexporte
Rüstung
Aufrüstung
Aufrüstung

ARTIKEL ZUM THEMA

Bericht über den globalen Waffenhandel: Europa rüstet schon seit Jahren auf

Keine Region hat in der vergangenen Fünfjahresperiode so viele Waffen importiert. Das schreibt das Forschungsinstitut Sipri in seinem neuem Bericht.

Neuer Rekord im Jahr 2021: Rüstungsexporte last minute

Vor dem Regierungswechsel bricht die Merkel-Regierung einen Rekord: 2021 genehmigte sie Rüstungsgeschäfte im Wert von 9 Milliarden Euro.

Ostermärsche der Friedensbewegung: Trotz Corona auf der Straße

2020 sind die Friedensdemos wegen der Pandemie ausgefallen. Dieses Jahr sind rund 100 Aktionen geplant. Die ersten starteten am Freitag.

Waffenexporte von Heckler & Koch: Blutige Geschäfte

Heckler & Koch lieferte illegal Waffen nach Mexiko, zwei Angestellte wurden verurteilt. Am Donnerstag geht der Fall vor den Bundesgerichtshof.

Boom der Waffenindustrie: China rüstet vorne mit

Der Sipri-Rüstungsbericht registriert eine starke Zunahme der Waffenproduktion. Weil neue Daten vorliegen, sind nun Konzerne aus Fernost im Ranking dabei.

Rüstungsausgaben im Vergleich: Deutschland prasst beim Militär

Die Bundesrepublik bringt unter Europas Nato-Staaten möglicherweise das meiste Geld für Militär auf. Doch der Vergleich hängt von der Statistik ab.

Weltweiter Rüstungsausgaben-Rekord: Zeit für einen Steuerboykott

Aufrüstung ohne Ende: Die Staaten geben 2,2 Prozent des globalen Buttosozialprodukts für Militär aus. Schluss damit!