taz.de -- Proteste in Hongkong: Ein Land, ein Polizeistaat

Hongkongs Jugend soll mittels patriotischer Erziehung auf Linie gebracht werden. Die Autonomie wird zur Fassade.
Bild: Hongkongs Polizei geht gegen Schüler:innen vor, die gegen das Hymnengesetz demonstrieren

Selbst einige westliche Staaten haben Gesetze, die ihre Hymne und andere Nationalsymbole „schützen“. Und noch mehr Staaten haben Sicherheitsgesetze, mit denen Terrorismus bekämpft werden soll. Ist es also normal, wie von China und pekingfreundlichen Hongkonger Politikern behauptet, wenn auch die autonome Metropole solche Gesetze bekommt, zumal ein [1][Sicherheitsgesetz] auch in Hongkongs Grundgesetz vorgesehen ist?

Normal ist in Hongkong leider fast nichts mehr. Die Bevölkerung der Stadt ist gespalten, die meisten trauen Peking und seinen Statthaltern nicht mehr. Sie wollen nicht nur ihre Autonomie behalten, sondern endlich die von Peking ursprünglich versprochene Demokratie bekommen. Umgekehrt [2][misstraut Peking den Hongkongern], die ihre Autonomie, zum Teil gewaltsam, verteidigen.

Peking fühlt sich immer weniger an seine Zusage von Autonomie und Selbstverwaltung („Ein Land, zwei Systeme“) gebunden. Hongkongs Jugend soll mittels „patriotischer Erziehung“ auf Linie gebracht werden. So sieht das Hymnengesetz auch das Lehren und Singen des Liedes in Schulen vor. Dabei hatten sich Schüler schon einmal erfolgreich gegen Pläne für eine „nationalistische Erziehung“ gewehrt.

Beim Sicherheitsgesetz kümmert sich Peking nicht mehr um Hongkongs Autonomie. Dort war ein solches Gesetz 2003 am Protest der Bevölkerung gescheitert. Chinas Nationaler Volkskongress, der das umstrittene Gesetz am Donnerstag gebilligt und damit das zuständige Parlament der Stadt einfach übergangen hat, bedroht damit die politische Opposition.

Erleichtert durch die Kontaktbeschränkungen wegen Corona, wird der Protest von einer drakonisch agierenden Polizei schnell ausgebremst. [3][Hongkongs Autonomie] wird zunehmend zur Fassade, die Stadt ähnelt politisch immer mehr dem chinesischen Festland. Deshalb dürften immer mehr Hongkonger nach Perspektiven im Ausland suchen.

28 May 2020

LINKS

[1] /Pekings-Gesetz-zu-Hongkong/!5684772
[2] /Eskalation-bei-Protesten-gegen-Peking/!5684748
[3] /Chinas-Nationaler-Volkskongress-tagt/!5684410

AUTOREN

Sven Hansen

TAGS

Hongkong
KP China
Demokratiebewegung
Hongkong
Hongkong
China
Schwerpunkt Polizeigewalt und Rassismus
China
China

ARTIKEL ZUM THEMA

Jahrestag der Hongkonger Massenproteste: Agnes Chow aus Haft entlassen

7 Monate saß die Aktivistin ohne Anklage in Haft. Sie engagierte sich in der Hongkonger Demokratiebewegung und wurde nun am Jahrestag der Proteste freigelassen.

Einfluss Pekings auf Sonderverwaltungszone: Hongkong verliert Autonomie

China stellt „Subversion“ und Kollaboration mit dem Ausland unter Strafe. Der Demokratiebewegung droht die Unterdrückung.

Tiananmen-Gedenken verboten: Hongkong hört die Signale

In der Sonderverwaltungszone wurde erstmals seit 30 Jahren eine Tiananmen-Mahnwache untersagt. Peking untermauert seinen Machtanspruch.

Pekings Gesetz zu Hongkong: Nicht das Ende, aber eine Zäsur

Mit dem Sicherheitsgesetz gegen die Demokratiebewegung in Hongkong droht eine zunehmende Radikalisierung.

Eskalation bei Protesten gegen Peking: Tränengas in Hongkong

China will seine nationalen Interessen noch forscher verfolgen, heißt es auf dem Volkskongress. Das bekommen Hongkongs Aktivisten zu spüren.

Chinas Nationaler Volkskongress tagt: Hongkong droht Autonomieverlust

Chinas Volkskongress plant ein Sicherheitsgesetz für Hongkong. Mit dem kann Peking direkt gegen dortige Proteste vorgehen.