taz.de -- Weibliche Oppositionelle in der NS-Zeit: „Verdrängt, vergessen, ignoriert“
Im Juli jährt sich zum 75. Mal der Umsturzversuch von 1944. Zu diesem Anlass will der Bundestag die Rolle von Frauen im NS-Widerstand würdigen.
Berlin taz | Im Antrag „Frauen im Widerstand gegen den Nationalsozialismus würdigen“ fassen zwei Bundestagsfraktionen auf sechs Seiten die Rolle weiblicher Oppositioneller zusammen. Sie gehen auf Frauen ein, die an Umsturzplanungen beteiligt waren, in „Sippenhaft“ genommen oder hingerichtet wurden.
Der Antrag würdigt unter anderem Margarethe von Oven (Sekretärin im Bendlerblock, an der Vorbereitung der „Operation Walküre“ beteiligt), Hilde Coppi (Mitglied der „Roten Kapelle“) und die kommunistische Widerstandskämpferin Käthe Tucholla. Und er beschreibt die Leistung der späteren Frauenbewegung für die Sichtbarmachung der weiblichen Widerständlerinnen. „Es ist Zeit für eine Perspektive“, heißt es in dem Antrag, „die inklusiv, differenziert, feministisch und genderkritisch mit dem Themenkomplex Frauen im Widerstand umgeht.“
Doch der Antrag stammt nicht etwa von Grünen und Linken, sondern von den Koalitionsfraktionen Union und SPD. Am Freitag soll er im Bundestag beschlossen werden. Anlass ist der Umsturzversuch von 1944, der sich am 20. Juli zum 75. Mal jährt, Initiatorin ist Elisabeth Motschmann, Mitglied im Bundesvorstand der CDU und im Bundestagsausschuss Kultur und Medien, der sich auch mit Erinnerungskultur beschäftigt. „Ich habe mich seit Jahren darüber geärgert, dass am 20. Juli ausschließlich Männer, aber nie die Frauen gewürdigt werden“, sagte Motschmann der taz.
Antidemokratische Äußerungen bekämpfen
Es habe viele Frauen am 20. Juli und darüber hinaus gegeben, deren Namen und Leistungen „verdrängt, vergessen und ignoriert“ würden. Das mache etwas mit dem Selbstverständnis heutiger Frauen: „Wir müssen doch wissen, dass es Frauen gab, die etwas gewagt und gemacht haben und den Mut hatten, gegen dieses Regime zu kämpfen“, sagte sie.
Die Koalitionsfraktionen beschließen deshalb aller Voraussicht nach, dass Veranstaltungen unterstützt werden, die die Bedeutung von Frauen im [1][Widerstand gegen den NS] stärker ins öffentliche Bewusstsein rücken. Die Vermittlungsarbeit von Gedenkstätten wie dem ehemaligen Frauen-Konzentrationslagern Moringen soll gestärkt, eine Briefmarkenserie zu Frauen im Widerstand aufgelegt werden. Ein Projekt der Stiftung Gedenkstätte Deutscher Widerstand zur weiteren Erforschung des Themas soll gefördert und die Ergebnisse sollen in einer Wanderausstellung präsentiert werden. Der finanzielle Rahmen ist noch nicht klar.
Sie gehe davon aus, sagte Motschmann, dass sich auch die Opposition weitgehend hinter dem Antrag versammeln könne – bis auf die AfD, die „wieder irgendwelche Genderprobleme“ vorschiebe. Mit Parallelen zur aktuellen Situation hierzulande müsse man zwar immer vorsichtig sein, sagte die CDU-Abgeordnete. Aber auch heute gebe es „viel Hass“ – und alle antidemokratischen Äußerungen müssten bekämpft werden.
28 Jun 2019
LINKS
AUTOREN
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Im Frauengefängnis Barnimstraße saßen Generationen ein. Heute sind dort eine Verkehrsschule und ein Gedenkort, dem gerade die Förderung gestrichen wurde.
In der Rosenstraße protestierten Frauen 1943 erfolgreich gegen die Deportation ihrer jüdischen Ehemänner. Beim aktuellen Gedenken geht es auch um heute.
Hans-Peter de Lorent war Lehrer, Kommunist und Romanautor. Heute sammelt er Täterprofile von Schulfunktionären im Nationalsozialismus.
Beim Evangelischen Kirchentag ist die AfD nicht eingeladen. Keine Realitätsverweigerung, sondern eine Entscheidung, Intolerante nicht zu tolerieren.
Rechtsradikale Worte gewählt? KZ-Überlebende kritisieren Hamburgs Kultursenator Carsten Brosda (SPD) für eine Rede.
Ein ägyptischer Arzt rettete in der Nazi-Zeit Juden vor dem Holocaust. In der Wilmersdorfer Moschee stellt der Israeli Igal Avidan seine Geschichte vor.