taz.de -- Deutsche IS-Kämpfer in Syrien: Bedingungen für die Rückkehr

Bundesinnenminister Horst Seehofer ist grundsätzlich bereit, IS-Kämpfer in Deutschland aufzunehmen. Aber nicht zu jedem Preis.
Bild: In kurdischer Haft sind viele deutsche IS-Kämpfer in Syrien. Unklar ist, ob sie zurückkehren werden

Berlin dpa | In der [1][Diskussion um die Rückkehr von IS-Kämpfern nach Deutschland] stellt Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) Bedingungen auf. Er will Kämpfer der Terrororganisation IS und ihre Familien nur dann nach Deutschland zurückkehren lassen, wenn ihre Identität zweifelsfrei geklärt ist und sie kein unkalkulierbares Sicherheitsrisiko darstellen. „Im Interesse der Sicherheit unseres Landes muss die Bundesregierung für die Rückkehr von ehemaligen IS-Kämpfern, die die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen, Bedingungen setzen“, sagte er der Süddeutschen Zeitung. Jeder Einzelfall müsse vor Ort geklärt werden, „bevor irgendjemand ins Flugzeug gesetzt wird“.

Schon vor der Rückkehr müsse es Klarheit über jede Personalie und über Strafverfolgungsansprüche anderer Staaten geben. Zudem will Seehofer verhindern, dass IS-Kämpfer, die schwerer Straftaten verdächtigt werden, in Deutschland abtauchen. „Wir müssen klipp und klar wissen, welche Ermittlungsergebnisse es in Deutschland gegen die jeweilige Person gibt“, sagte er. „Ich möchte keine gefährlichen Leute aufnehmen, wenn wir nicht die Sicherheit gewährleisten können, dass wir sie hier zum Beispiel wieder in Haft nehmen können, weil sie mit einem Haftbefehl gesucht werden.“

Die [2][Diskussion war durch US-Präsident Donald Trump ausgelöst] worden. Dieser hatte europäische Länder wie Deutschland dazu aufgerufen, mehr als 800 in Syrien gefangene IS-Kämpfer zurückzunehmen und vor Gericht zu stellen. Falls die Verbündeten nicht reagierten, seien die USA gezwungen, die Kämpfer auf freien Fuß zu setzen. Diese sind aber nicht in US-Gewahrsam, sondern in der Gewalt kurdischer Kräfte.

Auch Bayerns Innenminister Joachim Herrmann äußerte sich in der Debatte um die Rückholung deutscher IS-Kämpfer. Er will zurückkehrende IS-Kämpfer mit deutschem Pass, denen keine Straftaten nachzuweisen sind, notfalls strikt überwachen lassen. Wenn sich Rückkehrer nachweislich nach deutschem Recht einer Straftat schuldig gemacht haben, müssten sie vor Gericht gestellt und nach einer Verurteilung hinter Gitter gebracht werden, sagte der CSU-Politiker der Passauer Neuen Presse. „Können wir die Nachweise nicht führen, müssen wir die IS-Rückkehrer engmaschig kontrollieren, nötigenfalls mit einer Rund-um-die-Uhr-Überwachung.“ Das wäre für Polizei und Verfassungsschutz eine deutliche Zusatzbelastung.

Möglicher Entzug der deutschen Staatsbürgerschaft

Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl (CDU) plädierte dafür, Rückkehrern, die neben dem deutschen noch eine anderen Pass haben, die deutsche Staatsbürgerschaft zu entziehen. „Wer in fremden Streitkräften dient, verliert seine Staatsbürgerschaft. Das muss erst recht für eine Terrormiliz gelten“, sagte er der Bild-Zeitung.

Tatsächlich hatte das Bundesinnenministerium bereits im November einen Gesetzentwurf vorgelegt, der einen [3][Passentzug von deutschen IS-Kämpfern vorsieht], wenn diese noch eine zweite Staatsbürgerschaft haben. Doch das Vorhaben ist heikel und wird derzeit innerhalb der Großen Koalition verhandelt.

20 Feb 2019

LINKS

[1] /Deutsche-IS-Kaempfer-in-Syrien/!5571057
[2] /Ruecknahme-von-deutschen-IS-Kaempfern/!5573801
[3] /Deutsche-IS-Kaempfer-in-kurdischer-Haft/!5571165

TAGS

„Islamischer Staat“ (IS)
Horst Seehofer
Joachim Herrmann
Donald Trump
Schwerpunkt Syrien
Prozess
Terrorismus
Schwerpunkt Syrien
Bremen
Schwerpunkt Syrien
Bundesgerichtshof
Rückkehrer
Norbert Röttgen

ARTIKEL ZUM THEMA

IS-Prozess in Hamburg: Grenzen der Gutgläubigkeit

In Hamburg steht eine mutmaßliche IS-Unterstützerin vor Gericht. Die Frau will jedoch nur Zuflucht vor Islamhetze gesucht haben.

Verlust deutscher Staatsangehörigkeit: Ein Gesetz für die Zukunft

Die Koalition plant eine Regelung zum Verlust der Staatsbürgerschaft. Sie kann nicht auf rückkehrwillige IS-Kämpfer angewandt werden.

Strafverfolgung von IS-Rückkehrern: Wohnen wird als Plündern definiert

Die Bundesanwaltschaft hat einen neuen Ansatz für die Strafverfolgung von IS-Rückkehrern. Sie sollen wegen Hausbesetzung angeklagt werden.

Bremer Umgang mit IS-Terroristen: „Jeden Einzelfall prüfen“

Wie gefährlich sind IS-Kämpfer, die nach Bremen zurückkommen? Das Bremer LKA hält engen Kontakt zu den Bundesbehörden.

Hamburger Umgang mit IS-Kämpfern: Der besondere Fokus

Der Anwalt Erdem fordert, IS-Anhänger aus Nordsyrien zurückzuholen. Der Verfassungsschutz sieht Rückkehrer als Sicherheitsrisiko.

Deutsche IS-Kämpfer in kurdischer Haft: Pass weg, Problem weg?

Behörden prüfen Rückholung deutscher IS-Kämpfer aus Syrien. Und die Bundesregierung streitet über einen zweiten Weg: Passentzüge.

Deutsche IS-Kämpfer in Syrien: Das Dilemma inhaftierter Deutscher

Etliche deutsche IS-Anhänger sitzen in Syrien in Haft. Sollen sie zurück? Die Bundesregierung tut sich schwer damit.

Rücknahme von deutschen IS-Kämpfern: „Schwer realisierbar“

Die Bundesregierung zögert, deutsche IS-Kämpfer aus kurdischen Lagern in Syrien wieder aufzunehmen. Trump droht, sie andernfalls einfach freizulassen.