taz.de -- Bekenntnis zum sicheren Hafen: Hamburg, Bremen und Berlin united

In Anbetracht der humanitären Not im Mittelmeer haben die Stadtstaaten mehr Engagement angemahnt. Nehmen sie nun auch mehr Flüchtlinge auf?
Bild: „Seenotrettung ist kein Verbrechen“ – das sehen Hamburg, Bremen und Berlin genauso.

Bremen taz | Hamburg, Bremen und Berlin wollen Geflüchtete aufnehmen. Dazu haben sich die Bürgermeister der Stadtstaaten Peter Tschentscher, Carsten Sieling und Michael Müller (alle SPD) in der gemeinsamen Erklärung „Stadtstaaten bleiben sichere Häfen“ bekannt. Damit unterstreichen die Politiker, dass sie sich weiterhin „engagiert an der Versorgung und Integration von Flüchtlingen beteiligen“ wollen.

Der Begriff „sicherer Hafen“ ist dabei symbolisch zu verstehen –und die Positionierung als eine politische Absichtserklärung. Damit ist eine zentrale Forderung des Protestbündnisses „Seebrücke“ erfüllt, das sich gegen die europäische Abschottungspolitik und die Kriminalisierung von Seenotrettung richtet.

Doch für Christoph Kleine von der Hamburger Seebrücke reicht das nicht. Denn: „Erklärungen allein retten keine Menschenleben.“ Die Städte dürften sich nicht scheuen, den Streit mit dem Bundesinnenministerium und anderen EU-Staaten zu suchen. Das Ziel sei erst dann erreicht, wenn Menschen unter würdigen Bedingungen leben und sicher bleiben könnten.

Karl Kopp von „Pro Asyl“ hält jede Form des Aufschreis angesichts des Massensterbens im Mittelmeer für wichtig. „Wir hoffen, dass noch viele europäische Städte diesem Beispiel folgen, um von unten Druck auf die Regierungen auszuüben“, sagt er. Es brauche von der Bundesregierung endlich eine klare Position für zivile Seenotrettung. Deutschland könne sich da nicht raushalten.

Der Bremer Völkerrechtlicher Andreas Fischer-Lescano verweist darauf, dass der Begriff des „sicheren Ortes“ aus dem Seevölkerrecht kommt. Ein sicherer Hafen schütze Personen nicht nur vor dem Ertrinken, sondern auch vor weiterer Verfolgung. „Die Bundesländer gehen in ihrer Erklärung aber deutlich über den Gehalt der seevölkerrechtlichen Verpflichtung hinaus.“ Der Jurist versteht dies als eine Zusage, weitere Geflüchtete aufzunehmen. Ob Hamburg und Bremen das wirklich so meinen, blieb zunächst offen.

Der Hamburger Senat äußerte sich inzwischen zu einer Anfrage der taz. „Es war notwendig, Stellung zu beziehen nach den vielen Protesten“, sagt ein Sprecher. „Auch wir wollen nicht, dass Menschen ertrinken.“ Dennoch sei Grundlage für die Aufnahme Geflüchteter weiterhin das nationale Asylrecht. Man unternehme keine besonderen Anstrengungen auf Bundesebene: „Es gibt Themen, die wir als Städte nicht ändern können.“

28 Sep 2018

AUTOREN

Alina Götz

TAGS

Seenotrettung
Schwerpunkt Flucht
Flüchtlingspolitik
Integration
Geflüchtete
Bremen
Hamburg
Berlin
Seenotrettung
NS-Gedenken
Seenotrettung
Seebrücke
Osnabrück
Italien
Schwerpunkt Flucht
Seenotrettung
Seenotrettung

ARTIKEL ZUM THEMA

Ärztin über Seenotrettung im Mittelmeer: „Sie waren unglaublich dankbar“

Die Ärztin Nicole Grimske erzählt von ihrem Hilfseinsatz im Mittelmeer, von emotionalen Momenten an Bord und der Schwierigkeit, einen Hafen zu finden.

Wende im Gedenkstreit: Die U-Bahn bewegt sich

Die Hamburger Hochbahn wollte die Werbung vom Auschwitz Komitee für eine Gedenkveranstaltung nicht zeigen. Jetzt läuft sie doch.

Seenotrettung auf dem Mittelmeer: Das Warten geht weiter

Noch immer gibt es keine Lösung für die zwei privaten Seenotrettungsschiffe im Mittelmeer. Dutzende Menschen können nicht an Land.

Sichere Häfen für Flüchtlinge: Berlin liegt nicht am Meer

Der Senat will aus Seenot Gerettete – etwa von der Seawatch3 – aufnehmen, doch Horst Seehofer mauert. Am Donnerstag Demo von Seebrücke.

Seehofer mauert: Sichere Häfen noch leer

Viele Städte haben sich vor Monaten zum „Sicheren Hafen“ erklärt, um Flüchtlinge aufzunehmen. Die ersten 25 sollten am Mittwoch kommen.

Debatte Lampedusa-Unglück: Schlimmer als vor der Katastrophe

Vor fünf Jahren ertranken 368 Menschen im Mittelmeer. Danach wurde die italienische Rettungspolitik humaner – geblieben ist davon leider wenig.

Stipendien für politisch verfolgte Künstler: Endlich ein sicherer Hafen

Das Netzwerk „Artist at Risk“ aus Helsinki organisiert Residenzen für verfolgte Künstler. Nun ziehen die deutschen Kulturinstitute nach.

Stadtrat überstimmt Oberbürgermeister: Osnabrück wird Hafen für Flüchtlinge

Der Osnabrücker Stadtrat schließt sich gegen den Willen des Oberbürgermeisters der „Seebrücke“ an. Die Stadt will mehr Flüchtlinge aufnehmen.

Tag der Seenotretter: Tausende gegen das Sterben im Meer

Interessierte können sich am Sonntag über die Arbeit der Seenotretter informieren. In vielen Städten wird zudem für eine humanitäre Flüchtlingspolitik demonstriert.