taz.de -- Deutscher in Bulgarien verhaftet: Festnahme auf Geheiß der Türkei

Mehmet Y. wurde in Bulgarien in Gewahrsam genommen. Die Türkei hatte eine Fahndung über Interpol herausgegeben. Ihm droht die Auslieferung.
Bild: Bulgarische Grenzschützer patroullieren an der bulgarisch-türkischen Grenze

Berlin dpa | Ein deutscher Staatsbürger ist einem Bericht von WDR und NDR zufolge in Bulgarien auf Betreiben der Türkei festgenommen worden. Wie beide Sender am Dienstag berichteten, wurde der Deutsche Mehmet Y. am Sonntag von der bulgarischen Polizei abgeführt. Für ihn soll ein Fahndungsaufruf der türkischen Behörden vorliegen. Der aus Bonn stammende 44-Jährige sitze in Warna in Untersuchungshaft. Das Auswärtige Amt in Berlin bestätigte der Deutschen Presse-Agentur am Dienstagabend, der Fall sei dort bekannt. Die Botschaft in Sofia betreue ihn konsularisch.

Der Mann arbeitete nach Recherchen beider Sender als Flüchtlingsbetreuer in einer kirchlichen Einrichtung in Bonn. Er sei in den vergangenen Jahren mehrfach innerhalb Europas gereist, aber vor seiner Festnahme laut seiner Familie noch nie in Bulgarien gewesen. Auch über das Interpol-Gesuch sei er nicht informiert gewesen.

WDR und NDR liegt das Protokoll seiner Verhaftung in Bulgarien vor. Demnach sei der Fahndungsaufruf mit einer Verurteilung in der Türkei begründet. Ein Gericht in der türkischen Stadt Adana habe ihn wegen angeblicher Tätigkeit in der PKK in Abwesenheit zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt.

Y. soll dem Bericht zufolge vor der Strafverfolgung nach Deutschland geflohen sein, wo er nach Angaben seiner Familie im Jahr 2001 Asyl erhalten habe. 2009 sei er in Deutschland eingebürgert worden. Die türkischen Behörden hätten ihn danach nicht aus der Staatsbürgerschaft entlassen. Er besitze deshalb sowohl einen deutschen als auch einen türkischen Pass.

Laut seinem Anwalt soll er am Mittwoch dem Haftrichter in Bulgarien vorgeführt werden. Im schlimmsten Fall drohe Y. eine Auslieferung in die Türkei. Weder das Bundeskriminalamt, noch Interpol oder das Justizministerium als beteiligte Behörden äußerten sich auf Anfragen der Sender.

Bulgarien hat in der Vergangenheit Türken, denen deren Heimatland eine PKK-Mitgliedschaft oder Nähe zur Gülen-Bewegung vorwirft, meist an das Nachbarland ausgeliefert. Die türkische Führung macht den in den USA lebenden islamischen Prediger Fethullah Gülen für den gescheiterten Putsch von 2016 verantwortlich.

5 Sep 2018

TAGS

PKK
Schwerpunkt Türkei
Bulgarien
Interpol
Türkei
Türkei
Kurden

ARTIKEL ZUM THEMA

Verschwundener Interpol-Chef in China: Rätselraten über Meng Hongwei

Der chinesische Interpol-Chef ist offiziell zurückgetreten. Nach seinem Verschwinden erklärt die Volksrepublik, gegen ihn wegen Korruption zu ermitteln.

Heiko Maas zu Besuch in der Türkei: Ende der „Missverständnisse“

Der türkische Präsident Erdoğan und Außenminister Maas reden die Konflikte zwischen den Ländern klein. Zum Thema Repression schweigen sie.

Türkischer Präsident und US-Sanktionen: Erdoğan teilt wieder aus

Beim AKP-Parteitag reagiert der türkische Präsident auf neue Sanktionsdrohungen der USA. Für den Notfall bietet Deutschland finanzielle Hilfe an.

Pressefreiheit in der Türkei: Acht Jahre Haft für ein Video

Nedim Türfent berichtete über Machtmissbrauch von Beamten. Anderswo bekäme er dafür einen Preis, in der Türkei sitzt er acht Jahre in Haft.

Kurdenpolitiker Salih Muslim: Wieder auf freien Fuß – vorläufig

Der ehemalige Chef der syrisch-kurdischen PYD ist wieder frei. Gegen den Willen der Türkei verzichteten die Prager Richter auf Abschiebehaft.