taz.de -- Heiko Maas zu Besuch in der Türkei: Ende der „Missverständnisse“
Der türkische Präsident Erdoğan und Außenminister Maas reden die Konflikte zwischen den Ländern klein. Zum Thema Repression schweigen sie.
Istanbul taz | Mit einer erstaunlichen Geschwindigkeit steuern Deutschland und die Türkei wieder auf so genannte normale Beziehungen zu. Bei einem zweitägigen Besuch in der Türkei gab sich Außenminister Heiko Maas leutselig und mit seinem türkischen Amtskollegen Mevlüt Çavuşoğlu schon beim ersten Treffen per Du.
Bei ihrer gemeinsamen Pressekonferenz am Mittwochabend im Anschluss an ein Treffen von Maas mit Präsident Recep Tayyip Erdoğan in dessen Palast, waren beide bemüht, die Auseinandersetzungen der letzten eineinhalb Jahre kleinzureden. Es habe „Missverständnisse“ gegeben, sagte Maas und Çavuşoğlu betonte, es dürfe keine Bedingungen für die Wiederannäherung beider Länder geben.
Gefragt ob er sich für die Freilassung der sieben deutschen Staatsbürger, die derzeit noch aus politischen Gründen in türkischer Untersuchungshaft sitzen, wie zuvor versprochen eingesetzt habe, blieb Heiko Maas einsilbig. Es sei darüber gesprochen worden und es werde weiter darüber gesprochen, sagte er.
Ob und in welcher Form auch über die Repression türkischer Erdoğan-Kritiker gesprochen wurde, blieb unerwähnt. Stattdessen betonte Maas, wie wichtig die Türkei sei und dass die Bundesregierung ein strategisches Interesse an einer engen Zusammenarbeit habe. Dazu gehörten die enge wirtschaftliche Kooperation und die weitere Zusammenarbeit in der Nato.
Der türkische Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu machte die weitere Zusammenarbeit davon abhängig, welche konkrete Schritte nun in den kommenden Wochen erfolgen würden. Ende September kommt Präsident Erdoğan zu einem Staatsbesuch nach Berlin, erst danach wird man sehen, ob es konkrete neue Schritte geben wird.
Besorgt über Flüchtlinge
Den größten Raum nahm während der Pressekonferenz aber das Thema Syrien ein. Beide Außenminister waren sich einig, dass in der syrischen Provinz Idlib eine humanitäre Katastrophe drohe, falls das Assad Regime mit russischer Unterstützung den angedrohten Großangriff auf die letzte Rebellenhochburg in Syrien tatsächlich durchführt.
Beide Außenminister zeigten sich besorgt, dass dann erneut hunderttausende Flüchtlinge über die türkische Grenze drängen würden. Maas sagte, er verstehe die Sorgen seiner Gastgeber. Man wolle gemeinsam auf den russischen Präsidenten Wladimir Putin einwirken, den Angriff zurückzustellen. Sollte das nicht gelingen, versprach Maas seinem Kollegen, werde die Bundesregierung mit Unterstützung bei der humanitären Hilfe zur Stelle sein.
6 Sep 2018
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