taz.de -- Justiz in der Türkei: US-Pastor bleibt in Untersuchungshaft
Ein Gericht in Izmir lehnt den Antrag auf Entlassung ab. Ein Vorwurf lautet auf Spionage. In den USA wächst die Empörung.
Istanbul taz | Große Empörung in den USA: Seit nunmehr 20 Monaten sitzt der amerikanische evangelische [1][Pastor Andrew Brunson] in der Türkei in Untersuchungshaft. Am Mittwoch hatte ein Gericht in Izmir erneut einen Antrag seiner Anwälte auf Haftentlassung abgelehnt.
Selbst US-Präsident Donald Trump twitterte noch am Mittwochabend, es sei „eine totale Schande, dass die Türkei den angesehenen US-Pastor nicht aus dem Gefängnis entlässt. Er hat nichts Falsches getan und seine Familie braucht ihn.“
Der Fall des inhaftierten Pfarrers aus North-Carolina hat in den USA mittlerweile eine ähnliche Dimension angenommen, wie zuvor die türkische U-Haft des Journalisten Deniz Yücel in Deutschland.
Dem 50 jährigen Andrew Brunson, der seit mehr als 20 Jahren in der türkischen Ägäismetropole Izmir mit Frau und Kindern lebt und dort einer kleinen evangelikalen Gemeinde vorsteht, wirft die Staatsanwaltschaft mehrere schwere vergehen vor: Er habe sowohl Verbindungen zur „Terrororganisation PKK“ wie auch zu Fetullah Gülen und seiner Sekte in der Türkei unterhalten, die offiziell für den Putschversuch vor zwei Jahren verantwortlich gemacht wird. Er sei ein Spion.
An den Haaren herbeigezogen
Die Empörung in den USA ist groß, weil diese Vorwürfe offensichtlich an den Haaren herbeigezogen sind. Der US-Geschäftsträger der amerikanischen Botschaft in Ankara, Philip Kosnett, sagte am Mittwoch in Izmir gegenüber Journalisten, er sei nun an allen vier Verhandlungstagen gegen Pastor Brunson dabei gewesen und es habe sich kein Beleg für die Vorwürfe ergeben.
Die US-Regierung steht im Fall Brunson erheblich unter Druck, weil die mächtige evangelikale Bewegung behauptet, Brunson sei inhaftiert worden, einfach weil er Christ ist. Das Magazin Christianity Today druckte einen Brief Brunsons in dem er schrieb, er sitze im Gefängnis, „weil ich bin, wer ich bin – ein christlicher Pastor“.
Tatsächlich dürfte der Kontext von Brunsons Inhaftierung jedoch ein ganz anderer sein. Er ist für die türkische Regierung eine Geisel, die sie gegen den islamischen Prediger Fetullah Gülen austauschen will, deren Auslieferung die US-Regierung auch zwei Jahre nach dem Putsch noch hartnäckig verweigert. Erdogan soll Trump gegenüber gesagt haben, gib mir meinen Imam und ich gebe dir deinen Pastor.
Die Auslieferung Gülens ist Erdogan so wichtig, dass er offenbar auch härtere Maßnahmen der USA bereit ist in Kauf zu nehmen. Erst in der vergangenen Woche waren zwei einflussreiche republikanische US-Senatoren in Ankara mit Erdogan zusammen getroffen.
US-Senatoren drohen Erdogan
Ihm gegenüber hatten sie damit gedroht, im Kongress die Auslieferung einer neuen Generation von F-16 Kampffliegern, an deren Entwicklung die Türkei finanziell beteiligt ist, an das türkische Militär zu verhindern, sollte der Präsident Brunson nicht ziehen lassen.
Auch die türkisch-amerikanische Zusammenarbeit in Syrien und der beabsichtigte Kauf russischer Raketenabwehrsysteme durch die Türkei kämen dann erneut auf den Prüfstand. Es hat nichts genutzt, Andrew Brunson bleibt im Gefängnis. Der nächste Verhandlungstag soll erst am 12. Oktober stattfinden.
19 Jul 2018
LINKS
AUTOREN
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Der türkische Präsident kündigt Sanktionen gegen US-Minister an – als Antwort auf Trump. Hinter der Eskalation steckt ein alter Konflikt.
Erdoğan lässt das Vermögen zweier US-Minister einfrieren. Damit reagiert er auf Sanktionen der USA – und verschärft die diplomatische Krise der Länder.
Weil die Türkei einen inhaftierten amerikanischen Pastor nicht freilässt, haben die USA Sanktionen verhängt. Ankara droht mit Vergeltung.
Der alte und neue Präsident der Türkei ist nun in seinem Amt vereidigt. Auch nach dem Notstand kann er weiter per Dekret regieren.
In der Türkei wurden erneut 18.000 StaatsdienerInnen entlassen. Angeblich soll dies die letzte derartige Aktion unter dem Ausnahmezustand sein.
Angeblich fehlt ihr die „rechtliche Grundlage“: Türkische Behörden haben die Botschaftsschule in Izmir geschlossen. Das Auswärtige Amt protestiert.
Viele Türken haben den Sieg des Herausforderers Muharrem İnce für möglich gehalten. Doch der hat nun das Wahlergebnis akzeptiert.