taz.de -- Berliner Dyke*March 2018: Lesbische Lebensfreude feiern

Nächsten Freitag gehen Lesben und ihre Freunde zum sechsten Mal für mehr Sichtbarkeit beim Dyke*March auf die Straße.
Bild: Gut sichtbar, bunt und schön: Teilnehmer*innen des Dyke*March 2017 in Kreuzberg

Motorengurgeln vorweg, dazwischen Fahrradklingeln und gelegentlich dröhnen Skateboardrollen klackernd über den Asphalt. Feminine und kantige Weibsbilder, Jung- und Altlesben treffen auf dezidiert „non-binary“ Personen und Frauenpaare mit Kind an der Hand, eskortiert von Schwulen und Polit-Tunten: „Für mehr lesbische Sichtbarkeit und Lebensfreude“ heißt es nächsten Freitagabend wieder. So lautet das Langzeit-Motto des Berliner Dyke*Marches und soll bedeuten – wie vorneweg auf dem Auftakt-Regenbogentransparent alljährlich in großen Lettern angekündigt: „Die Lesben kommen!“

[1][Die Lesben-Demo startet am Flughafen Tempelhof und endet am Kottbusser Tor] – wo sie wie stets in eine Art Open-Air-Party am und um den Club Südblock übergeht. Bis zu 5.000 BesucherInnen werden von der Veranstalterin erwartet. Mitlaufen und -rollen dürfen Menschen aller Geschlechter und sexueller Orientierungen, die lesbische Sichtbarkeit zeigen oder unterstützen: Lesben, Transgender, Schwule, Heteros. Organisiert wird die Demonstration in Berlin seit 2013 vom lesbischen Magazin L-MAG, das dieses Jahr sein 15-jähriges Jubiläum feiert; Redaktion und Verlag haben ihren Sitz in Berlin.

Der Begriff Dyke ist US-amerikanischer Herkunft und meint die selbstbewusste Eigenbezeichnung von Lesben, um mit der einst abwertend gebrauchten Fremdbezeichnung für angeblich zu maskulin oder burschikos auftretende Frauen trotzig zu brechen. Der Dyke March als alljährliche Lesben-Großdemo stammt ursprünglich aus Nordamerika, wo 1981 der erste Lesbenprotestmarsch mit rund 200 Teilnehmerinnen in Vancouver (Kanada) stattfand.

In die Geschichte ging jedoch vor allem der erste große Dyke March ein, der 1993 zum „March on Washington for Lesbian, Gay and Bi Equal Rights and Liberation“ über 20.000 Teilnehmerinnen nach Washington D.C. zog. Die anarchafeministischen Lesbian Avengers (Lesbische Rächerinnen) hatten ihn initiiert als sichtbares Zeichen, dass Lesben eben überall dabei sind im gemischtgeschlechtlichen, häufig eher schwul dominierten oder, zuweilen noch bis heute, im Mainstream als „Schwulenparade“ wahrgenommenen CSD-Kontext. Zum Teil organisierten sie in den Folgejahren noch weitere gleichnamige Lesbendemos in San Francisco, New York und Boston, bevor sich die versprengten Ableger der Bewegung auflösten.

Von „lesbischen Rächerinnen“ zur „Schwulenparade“

Längst über Nordamerika hinaus verbreitet, feiern seit einigen Jahren Dyke Marches ein Revival, vor allem in Europa aber auch in Asien. Hierzulande gibt bzw. gab es 2018 neben Berlin gleichnamige Lesbendemos etwa in Köln, Bremen, Hamburg, Nürnberg, Oldenburg oder Heidelberg.

Gleich wo, weltweit finden Dyke Marches traditionell immer am Vorabend der jeweils lokalen großen Christopher-Street-Day- bzw. Pride-Demonstrationen statt (in aller Welt heißt es Pride statt CSD – Anm. d. Red.). So auch in Berlin, wo tags darauf am Samstag wieder der große CSD-Umzug stattfindet. Nicht in Konkurrenz zum CSD, sondern „in Ergänzung und zur Bereicherung der Pride-Wochen“, wie Manuela Kay betont, um homo-, trans- oder bisexuelle Lesben, Dykes, Butches, Femmes und andere Weiblichkeiten gemeinsam mit ihren UnterstützerInnen auf die Straße zu bringen. Kay ist Anmelderin des Berliner Dyke*Marches und Herausgeberin von [2][L-MAG] sowie des queeren Berliner Stadtmagazins [3][Siegessäule].

Allein in Berlin hat sich die Zahl der TeilnehmerInnen seit dem ersten Dyke*March 2013 von 2.000 auf 4.000 im vergangenen Jahr erweitert. Für kommenden Freitag werden bis zu 5.000 erwartet, da die lesbische Großdemo sich stetig wachsender Beliebtheit erfreut. Kein Wunder, schließlich gebe es kaum noch lesbische Räume und Treffpunkte, sagt Kay.

Sich die Straße zu nehmen ist politisch

Was sind heute die politischen Forderungen? Der Dyke*March, so Manuela Kay auf Nachfrage, sei mit keinen Forderungen verbunden, sondern fungiere selbst als politisches Statement: „Zu sagen ‚Wir sind hier!‘ ist eine politische Aktion, nämlich sich die Straße zu nehmen, wie es schon die Frauen in den damaligen ‚Take back the Night!‘-Demos der Frauen- und Lesbenbewegung gemacht haben.“

Oft werde beklagt, Feiern sei unpolitisch, meint Kay und verteidigt das hedonistische Moment: „Gerade das ‚Lebensfreude‘ im Motto ist mit einem Augenzwinkern zu verstehen – politische Aktionen dürfen Spaß machen! Feiern ist nicht ‚entpolitisiert‘, sondern im Gegenteil, eine unter vielen Aktionsformen während der Pride-Saison.“

22 Jul 2018

LINKS

[1] https://dykemarchberlin.com/
[2] https://www.l-mag.de/
[3] https://www.siegessaeule.de/

AUTOREN

Melanie Götz

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