taz.de -- Kommentar Die Kanzlerin: Sie tut wenigstens etwas
Merkel versucht zu retten, was zu retten ist. Ob sie die strittigen Flüchtlingsfragen noch klären kann, ist offen. Doch im Gegensatz zu anderen macht sie was.
Merkel hier, Merkel da. Merkel in Meseberg und in Jordanien. Merkel in Brüssel und im Kabinett. Die Kanzlerin tut gerade exakt das, was sie am Montag, auf dem Höhepunkt des Gerangels mit der CSU, angekündigt hat: Sie bringt das strittige Flüchtlingsthema „vernünftig zu Ende“. Der Zoff mit der Stiefschwesterpartei habe vor allem eines bewirkt: sie „angespornt“.
Da ist es wieder, das Bild, das viele an der deutschen Kanzlerin stets beeindruckt hat: Die fleißige Angela legt noch eine Schippe drauf. Sie arbeitet noch härter als ohnehin schon an der Lösung eines für andere unlösbaren Problems. Aktuell ist das die migrationspolitische Einigung des komplett zerstrittenen Europa. Aber diesmal lautet die Frage: Wer rettet hier eigentlich wen? Merkel die EU – oder die EU Merkel?
Mag sein, die deutsche Regierungschefin verliert beim kurzfristig anberaumten EU-Sondergipfel in Brüssel. Und mag sein, sie scheitert dann auch eine Woche später im Europäischen Rat, weil die Ungarn, die Polen, die Italiener sie auflaufen lassen. Und gut möglich, die CSU und die ihr gewogenen Medien kommentieren all dies in hohem Ton. Doch eines dürften selbst Merkels schärfste Gegner nicht ignorieren können: Die tut wenigstens was. Die kämpft. Und sie labern nur.
Schon immer hat Angela Merkel gekonnt die Außenpolitikkarte gespielt, wenn es für sie brenzlig wurde. Ob in der Eurokrise, beim Klimaabkommen oder jetzt im Asylstreit – wenn ihre Autorität wankt, düst die Kanzlerin los. Sie jettet durch die Welt, redet und verhandelt, wirkt dabei nie eingeschnappt oder geschwächt und reißt auf mitternächtlichen Pressekonferenzen auch noch Witzchen.
Ob dieses Selbstertüchtigungsprogramm auch diesmal funktioniert, ist sehr fraglich. Mag sein, dass sie ein paar Trümpfe im Ärmel hat, wenn sie auf ihre europäischen Partner trifft. Doch auch die wissen, wie angekratzt die Marke Merkel mittlerweile ist.
Der Feind nebenan
Der Grund ist bizarr: In ihrer Kanzlerinnendekade hatte Merkel jede Menge Ärger. Man denke nur an die „Gurkentruppe“ FDP. Doch noch nie hatte sie eine Unions-Mannschaft, von der sich Teile zum Zweck der eigenen Profilierung wie Gegner aufführten. Nie einen Innenminister, der sich zum Nebenaußenminister aufgemandelt hat. Nie eine Union, die unverhohlen Ränke schmiedet.
Angela Merkel als Getriebene – das ist das Bild, das dieser Tage vom Anti-Merkel-Jungsclub gezeichnet wird. Merkel selbst würdigt diese Schmähungen keines Kommentars. Sie arbeitet.Scheitert sie, ist nach ihr politisch nichts Adäquates in Sicht. Gewinnt sie noch einmal, wird das ein schaler Sieg. Es geht nur noch um ein kurzes Sich-über-die Zeit-Retten.
20 Jun 2018
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