taz.de -- Kommentar Sonderbeauftragte der UNO: Das Machtgefälle bleibt

Die Kompetenzen der neuen UNO-Sonderbeauftragten gegen sexuelle Ausbeutung und Missbrauch sind unklar. Am Grundproblem wir sich nicht ändern.
Bild: Blauhelm-Soldaten: Manche Entsendestaaten verfolgen Straftaten gar nicht

Ob die neue UNO-Sonderbeauftragte für die Opfer von sexueller Ausbeutung und Missbrauch durch Blauhelmsoldaten tatsächlich etwas bewirken kann, hängt von ihren künftigen Kompetenzen ab. Welche Handhabe bekommt sie gegenüber den Entsendestaaten der sexuellen Gewalttäter, wenn diese den Schutz und die Entschädigung der Opfer verweigern? Oder wenn ein Staat – wie in der Vergangenheit häufig geschehen – nicht einmal ein Strafverfahren gegen die Täter einleitet?

Diese wichtigen Fragen sind bislang noch nicht geklärt. Doch selbst wenn die Sonderbeauftragte Kompetenzen erhält, mit denen sie tatsächlich etwas für die Opfer bewirken kann, bleibt ein großes Manko: Ihr Mandat enthält wie alle bisherigen UNO-Beschlüsse zu diesem Thema eine unzureichende Definition von „sexueller Ausbeutung und Missbrauch“. Als Opfer werden zwar konkrete Personengruppen benannt, wie „Frauen und Kinder in Flüchtlingslagern“ oder Minderjährige.

Doch die häufigste Form von Ausbeutung, Missbrauch und Gewalt bleibt weiterhin erlaubt: sexuelle Beziehungen zwischen den – bislang zu 95 Prozent männlichen – Angehörigen von UNO-Missionen und erwachsenen Frauen aus der Zivilbevölkerung des Einsatzlandes. Man könne den Soldaten, die monatelang weit entfernt von ihren PartnerInnen stationiert sind, nicht verbieten, dieses Angebot „freiwilliger Prostitution“ wahrzunehmen, behaupten die Regierungen und Armeeführungen der Entsendestaaten – auch in Berlin.

„Freiwillig“ ist ein Mythos. Tatsächlich sind Machtgefälle und Abhängigkeitsverhältnis zwischen den Blauhelmsoldaten und der Zivilbevölkerung ihres Einsatzlandes in jeglicher Hinsicht noch viel größer als bei der Prostitution in den jeweiligen Heimatländern. Es wäre besser, für jede UNO-Mission würde künftig ein Bordell bereitgestellt – mit fair bezahlten und versicherten SexarbeiterInnen aus den Entsendestaaten der Soldaten.

24 Aug 2017

AUTOREN

Andreas Zumach

TAGS

UN-Blauhelme
Sexuelle Gewalt
sexueller Missbrauch
Ausbeutung
Prostitution
Harvey Weinstein
Lesestück Meinung und Analyse
UN-Blauhelme
Haiti
UN-Blauhelme
Vereinte Nationen
Vereinte Nationen
UN-Resolution

ARTIKEL ZUM THEMA

Missbrauchsvorwürfe gegen Weinstein: Der Domino-Effekt

Hollywood-Produzent Harvey Weinstein soll jahrelang Frauen sexuell belästigt und missbraucht haben. Dass er nun entlassen wurde, ist ein Meilenstein.

Debatte Afrika-Bild in Europa: Lasst uns endlich in Ruhe!

Versteckter Rassismus ist unter europäischen Politikern weit verbreitet. Doch afrikanische Länder müssen sich nichts bieten lassen.

UNO-Sonderbeauftragte Jane Connors: Anwältin für Blauhelm-Opfer

Die UNO hat eine neue Sonderbeauftragte für die Opfer von sexueller Ausbeutung und Missbrauch durch Blauhelmsoldaten ernannt.

UN fährt Einsatz in Haiti herunter: Blauhelmsoldaten abgezogen

Die UN-Mission in Haiti wird geschrumpft. UN-Botschafterin Nikki Haley kritisiert den Umgang mit Vorwürfen sexuellen Missbrauchs durch Blauhelme.

Sexuelle Gewalt durch UN-Blauhelme: Viele Opfer, wenige Strafen

2000 Vorwürfe sexueller Gewalt durch UN-Blauhelme gegen Kinder und Frauen hat es weltweit zwischen 2004 und 2016 gegeben. Ein Brennpunkt ist Haiti.

Missbrauch durch UN-Truppen in Afrika: Neue Vorwürfe gegen Blauhelme

In Zentralafrika haben Ermittler 41 neue Fälle von Missbrauch durch UN-Truppen dokumentiert. Zu vielen Übergriffen sei es gekommen, als Frauen Wasser holten.

Missbrauchsvorwürfe gegen Blauhelme: 108 Mädchen und Frauen betroffen

In der Zentralafrikanischen Republik sollen UN-Soldaten Frauen vergewaltigt und zur Sodomie gezwungen haben. Die UN droht Disziplinarmaßnahmen an.

Blauhelmsoldaten der UNO: Resolution gegen Missbrauch

Der Sicherheitsrat hat Maßnahmen gegen Friedenstruppen in Fällen von sexuellem Missbrauch verabschiedet. Ganze Kontingente können künftig abgezogen werden.