taz.de -- Zwischenlagerung von Atommüll: Glasklare Forderungen

Eine neue bundeseigene Gesellschaft übernimmt die Atommüllzwischenlager in Ahaus und Gorleben. Im Wendland wird am Samstag demonstriert.
Bild: Proteste gegen Atom wie hier in Hitzacker 2011 bleiben leider aktuell

Außerhalb der betroffenen Atomstandorte hat es kaum jemand mitbekommen: Die zentralen Atommüllzwischenlager in Gorleben und Ahaus sind seit Anfang August in öffentlicher Hand. Die neue bundeseigene Gesellschaft für Zwischenlagerung (BGZ) hat die Anlagen von der privaten Gesellschaft für Nuklear-Service (GNS), einer Tochter der AKW-Betreiber, übernommen.

Anfang 2019 fallen auch die 12 Zwischenlager an den AKW-Standorten in die Zuständigkeit der Bundesgesellschaft, 2020 soll sie die Verantwortung für weitere Lager mit schwach- und mittelradioaktiven Abfällen übernehmen.

Der Betreiberwechsel ist Folge des Deals zwischen Politik und Atomkonzernen. Danach organisieren und bezahlen die Energiekonzerne die Stilllegung und den Abriss der Meiler sowie die Verpackung der radioaktiven Abfälle. Für die Zwischen- und Endlagerung ist jetzt der Bund zuständig. Die Energieversorger haben dafür 24,1 Milliarden in einen staatlichen Fonds überwiesen, der Betrag wird aber bei weitem nicht reichen.

Die Aktivisten bleiben skeptisch. Ein neues Firmenschild allein bedeute noch kein neues Denken, heißt es bei der Bürgerinitiative (BI) Umweltschutz Lüchow-Dannenberg. Die BGZ habe in Gorleben und Ahaus nicht nur alle rund 80 Beschäftigten von der GNS übernommen, sagt BI-Sprecher Wolfgang Ehmke.

Drei klare Forderungen an den neuen Betreiber

Auch die beiden Leiter kämen von der Atomfirma. „Wir vermissen eine Berufung von unabhängigen und kritischen Leuten, die Garanten für eine neue Sicherheitsphilosophie und Sicherheitskonzepte wären“, so Ehmke. „Aber das ist vielleicht gar nicht gewollt.“

Der BI-Vorsitzende Martin Donat formulierte gegenüber der taz „drei klare Forderungen“ an den neuen Betreiber. Im Zwischenlager für schwach und mittelradioaktive Abfälle, dem sogenannten Fasslager, müssten alle Auflagen der niedersächsischen Landesregierung umgehend erfüllt werden.

Dort sind mehr als 20 Fässer mit Roststellen oder anderweitig „auffälligem Befund“ festgestellt worden. Das Umweltministerium in Hannover verfügte daraufhin strengere Kontrollen und ordnete „vertiefte Inspektionen“ sowie eine andere Lagertechnik an, die GNS klagte aber gegen einen Teil der Verfügung.

„Bei der Castorhalle müssen die Vorgaben des Brunsbüttel-Urteils angewandt werden“, sagte Donat weiter. Gerichte hatten die Genehmigung für das Zwischenlager am AKW Brunsbüttel kassiert, weil dessen Sicherheit gegen Flugzeugabstürze und terroristische Anschläge nicht nachgewiesen worden war.

Sofort Gedanken machen

Dieselben Gefahren bestünden in Gorleben – in der Castorhalle stehen bislang 113 Behälter mit abgebrannten Brennelementen und hochradioaktivem verglasten Müll aus der Wiederaufarbeitung. Nach Fukushima und einem Sicherheitscheck der deutschen Atomanlagen wurde der Bau einer Mauer um das Castorlager angekündigt, bis heute hat sich aber nichts getan.

Schließlich muss sich die BGZ Donat zufolge „sofort“ Gedanken über das künftige Zwischenlagerkonzept machen. Die Lager in Gorleben, Ahaus und an den AKW-Standorten haben nur zeitlich befristete Genehmigungen – sie laufen aus, bevor ein Endlager gefunden oder gar betriebsbereit ist.

Unterdessen wurde bekannt, dass die Kommunen der Samtgemeinde Gartow, zu denen Gorleben zählt, vom neuen Betreiber pro Jahr 800.000 Euro „Strukturhilfe“ erhalten. 1997 hatten die Samtgemeinde und die GNS einen „Ansiedlungsvertrag“ geschlossen. Darin verpflichteten sich die Gemeinden im Gegenzug zu Wohlverhalten gegenüber dem Betreiber.

10 Aug 2017

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Reimar Paul

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