taz.de -- Wohin mit dem Atommüll?: Marathonlauf zum Endlager gestartet

Die Bundesgesellschaft für Endlagerung hat offiziell mit der Suche nach einem neuem Standort begonnen. Nicht alle glauben an ihren Erfolg.
Bild: Stoppen oder weitermachen? Das ist in Gorleben die Frage

Berlin taz | Es sind die ganz großen Zeiträume, um die es am Dienstag geht: Ein Endlager, in dem Atommüll für eine Million Jahre sicher gelagert werden kann, soll gefunden werden. Schon die Suche des Standorts soll 15 Jahre dauern, die Inbetriebnahme erwarten die Optimisten in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts. Trotzdem herrscht beim Festakt zum Start der Standortsuche gute Stimmung – denn immerhin geht es überhaupt los. Und zwar in einer Einigkeit, die den jahrzehntelangen Streit über Atomkraft und Endlager vergessen lässt.

„Ich bin froh, dass wir die entscheidenden Weichen in einem breiten, überparteilichen Konsens stellen konnten“, sagt Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD). Sie sei „glücklich“, dass man gemeinsam ein „großartiges Gesetz“ verabschiedet habe, erklärt Grünen-Atomexpertin Sylvia Kotting-Uhl. „Wir haben den maximalen gemeinsamen Nenner gefunden“, freut sich SPD-Umweltexperte Matthias Miersch. Und auch Steffen Kanitz (CDU) ist höchst zufrieden damit, dass der Prozess jetzt endlich nach „wissenschaftlichen Kriterien“ neu beginnt.

Zuvor hatte eine Kommission mit VertreterInnen aus Politik und Zivilgesellschaft zwei Jahre lang ein neues Suchverfahren entwickelt. Es sieht vor, dass künftig eine neue, staatliche Bundesgesellschaft für Endlagerung die bestehenden Lagerstätten betreibt und die Standorte für das neue sucht und erkundet. Sie wird von der früheren Umwelt-Staatssekretärin Ursula Heinen-Esser (CDU) geleitet. Als Aufsichtsbehörde für den Prozess wurde das Bundesamt für kerntechnische Entsorgungssicherheit gegründet, das von Wolfram König geleitet wird, dem langjährigen Präsidenten des Bundesamts für Strahlenschutz, das die Zuständigkeit für Atommüll verliert.

Möglich wird die große Einigkeit im Saal allerdings auch, weil die Kritiker des Verfahrens fehlen: Der Atomexperte der Linken, Hubertus Zdebel, bleibt dem Festakt fern, da die Linke im Gegensatz zu den übrigen Bundestagsparteien kein Grußwort sprechen darf. Auch viele Anti-Atom-Gruppen boykottieren die Veranstaltung. Jochen Stay von der Initiative Ausgestrahlt meint, das neue Suchverfahren werde wegen „völlig unzureichender Mitbestimmung der Betroffenen“ scheitern.

Die BI Lüchow-Danneberg kritisierte, es handele sich um einen „PR-Termin“, bei dem Umweltverbände „lediglich Staffage“ seien. Die Bürgerinitiative bemängelt vor allem, dass der Standort Gorleben nicht im Vorhinein ausgeschlossen wurde. Das verteidigt die Grüne Kotting-Uhl: Es sei besser, Gorleben nicht politisch auszuschließen, sondern anhand wissenschaftlicher Kriterien, sagt sie. Und: „Ich bin sicher, dass das schon sehr bald geschehen wird.“

5 Sep 2017

AUTOREN

Malte Kreutzfeldt

TAGS

Atommüll
Atommüllendlager
AKW
Atomenergie
Gorleben
Gorleben
Atommüll
Atommüll
Lesestück Recherche und Reportage
Urananlage Gronau
Schwerpunkt Klimawandel
Atommüll
AKW
Atommüllendlager
Schwerpunkt Atomkraft
Schwerpunkt Atomkraft

ARTIKEL ZUM THEMA

Atommüll in Deutschland: Das Endlager ist nicht vom Tisch

In Gorleben ist es ruhig geworden. Geschlossen werden die Erkundungschächte aber nicht – der Bund sucht einen Standort.

Bundesgesellschaft für Endlagerung: Unbekannter Chef für den Atommüll

Der neue BGE-Chef Stefan Studt hatte mit Endlagern bisher wenig zu tun. Das sei ein „Versorgungsposten“, so die Kritik von links.

Atommüll-Endlager in Gorleben: Schlafen gelegt, nicht beerdigt

In Gorleben sind die Lichter aus. Nach 40-jähriger Erkundung ist der Betrieb heruntergefahren worden – in den Stand-by-Modus.

Suche nach Atommüll-Endlager: Jobs für die Ewigkeit

Um ein Atommüll-Endlager zu suchen, wurden neue Behörden und Unternehmen geschaffen. Die kämpfen jetzt um Einfluss und Mitarbeiter.

Schienenblockade gegen Uranproduktion: Elf Stunden auf den Gleisen

Sturm „Xavier“ bekommt Unterstützung. Auch Atomkraftgegner machen nachts Schienenstrecken dicht. Die Strafe: viel Regen.

Schlechte Umweltbilanz der Regierung: Öko-Republik nur in Gedanken

Deutschland gilt als Vorbild in der Klimapolitik – zu Unrecht, kritisieren Umweltverbände. Pestizide und Braunkohle bleiben im Einsatz.

Kosten für Atommülllagerung: Siemens will Geld für den Abfall

Der Bund prüft, ob das Technologieunternehmen den Staat an den Kosten für seinen Atommüll beteiligen kann – so wie die Energiekonzerne.

Streit um AKW-Abriss in Brunsbüttel: Keiner will den strahlenden Schrott

Das stillgelegte AKW Brunsbüttel soll zurückgebaut werden. Atomgegner befürchtet Billigabriss zulasten von Mensch und Natur.

Zwischenlagerung von Atommüll: Glasklare Forderungen

Eine neue bundeseigene Gesellschaft übernimmt die Atommüllzwischenlager in Ahaus und Gorleben. Im Wendland wird am Samstag demonstriert.

Deutscher Atommüll: Keine Eile mit den Castoren

Was macht der deutsche Atommüll im Ausland? Gab es da nicht dringende Rückholverträge? Plötzlich haben die Energiekonzerne die Ruhe weg.

Radioaktiver Müll wird verstaatlicht: Atomkonzerne kaufen sich frei

Eon, RWE, EnBW und Vattenfall überweisen 24 Millarden Euro an einen Staatsfonds. Das Risiko für die Endlagerung des Atommülls sind sie damit endgültig los.