taz.de -- Shakespeare-Partei Deutschlands: Widerspruch und Häme
Bei der Vorstellung des neuen Kanzlerkandidaten fand Thomas Oppermann deutliche Worte für Sigmar Gabriel – auf offener Bühne.
Er hat nur eine Nebenrolle im aktuellen Ränkespiel der Shakespeare-Partei Deutschlands. Aber die füllt SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann laut und auffällig aus. So kam es in dieser denkwürdigen SPD-Woche zu denkwürdigen Szenen bei der Vorstellung des neuen Kanzlerkandidaten Martin Schulz.
In der SPD-Fraktionssitzung ging es darum, wer zuerst sprechen sollte: der noch amtierende Parteichef Sigmar Gabriel oder, wie Oppermann vorschlug, Schulz. Darüber lieferten sich beide [1][einen Dialog vor laufenden Kameras]. Gabriel: „Noch bin ich der Vorsitzende der Partei!“ Oppermann: „Und ich der der Fraktion!“ Gabriel: „Gut, dann geh’ich jetzt.“
Gabriel blieb dann doch und sprach zuerst. Oppermann gab nach, aber wohl zum letzten Mal. Nach der Sitzung erklärte er ungefragt, wie er die künftige Rolle Gabriels sieht, mit dem er schon vor 20 Jahren in Niedersachsen um Posten kämpfte: „Er wird im Wahlkampf eine dienende Rolle spielen.“
Widerspruch auf offener Bühne, Häme hinterher: So deutlich zeigen Politiker selten, wie man blitzschnell auf einen Machtwechsel reagiert. Alles kreist ab sofort um die neue Sonne Schulz.
Und Oppermann? Die Parteichefs kommen und gehen, die Kandidaten auch, aber von dem 62-Jährigen ist dabei nie die Rede und offenbar sagt ihm auch keiner Bescheid, wenn sich das Spitzenpersonal ändert. So kam es, dass Oppermann noch am Wochenende die Qualitäten des mutmaßlichen Kandidaten Gabriel öffentlich pries – und wenig später plötzlich für den neuen Hoffnungsträger Schulz schwärmen musste.
Oppermann, der sich für höhere Aufgaben einst mit der schwer erträglichen Verteidigung von Frank-Walter Steinmeier im Kurnaz-Untersuchungsausschuss empfahl, hat also weiter vor allem – eine dienende Rolle.
27 Jan 2017
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