taz.de -- Schlacht um Aleppo: 10.000 Menschen fliehen über Nacht
Einwohner und Aktivisten berichten von einer Massenflucht in Richtung West-Aleppo. Zugleich erobert der IS Palmyra zurück.
Beirut/Amman afp/rtr | Mehr als 10.000 Menschen sind nach Angaben von Aktivisten seit Mitternacht aus den Rebellenvierteln im Südosten der umkämpften syrischen Stadt Aleppo geflohen. Sie hätten „wegen der schweren Kämpfe und Bombardements“ Zuflucht in dem von der Regierung kontrollierten Westteil der Stadt gesucht, teilte die in Großbritannien ansässige Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte am Sonntag mit. Auch in jüngst von Regierungssoldaten eingenommene Viertel im Norden und Zentrum von Aleppo seien sie geflohen.
Die Beobachtungsstelle, die den bewaffneten Rebellen nahesteht, beruft sich auf zahlreiche Informanten in Syrien. Von unabhängiger Seite sind ihre Angaben nur schwer zu überprüfen.
Ein Einwohner in Aleppos Südosten sagte der Nachrichtenagentur AFP, er habe gesehen, wie in der Nacht Menschen massenweise in Richtung der westlichen Stadtviertel geflohen seien. Der Beobachtungsstelle zufolge gab es im Südosten Aleppos heftige Kämpfe zwischen Regierungssoldaten und Rebellen. Ein AFP-Korrespondent in West-Aleppo berichtete, die Nacht über seien äußerst heftige Bombardements aus dem Ostteil der Stadt zu hören gewesen. Sie seien so stark gewesen, dass die Fenster in westlichen Vierteln gescheppert hätten.
Die Regierungstruppen hatten Mitte November eine Großoffensive gestartet. Seitdem eroberten sie mehr als 85 Prozent von Ost-Aleppo von den bewaffneten Rebellen zurück. Bei der [1][internationalen Syrien-Konferenz in Paris] warf US-Außenminister John Kerry am Samstag der Führung in Damaskus Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Aleppo vor.
Die Teilnehmer des Treffens, darunter auch Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD), forderten mit Nachdruck eine Feuerpause und humanitäre Korridore zum Abzug der Menschen aus dem Ostteil der Stadt. Steinmeier nannte das Leid der Menschen in Aleppo „unermesslich“.
Russische Luftangriffe auf IS-Stellung in Palmyra
Die Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) hat nach Angaben von Aktivisten wieder die Kontrolle über die syrische Wüstenstadt Palmyra übernommen. Die Truppen von Staatschef Baschar al-Assad hätten sich zurückgezogen, berichtete am Sonntag die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte. Der IS war am Samstag bereits kurzzeitig in Palmyra einmarschiert, durch russische Luftangriffe aber zunächst wieder zum Rückzug gezwungen worden.
„Trotz der anhaltenden Luftangriffe hat der IS ganz Palmyra wieder zurückerobert“, sagte der Chef der Beobachtungsstelle, Rami Abdel Rahman. Die den syrischen Rebellen nahestehende Organisation mit Sitz in Großbritannien beruft sich auf Informanten vor Ort, ihre Angaben sind von unabhängiger Seite nur schwer zu überprüfen. Auch das IS-Sprachrohr Amaq berichtete, die Dschihadisten hätten die antike Wüstenstadt wieder vollständig unter ihrer Kontrolle.
Der IS hatte vor wenigen Tagen eine neue Offensive in der Provinz Homs gestartet, in der die zum Unesco-Weltkulturerbe gehörende antike Oasenstadt liegt. Am Samstag dann war er fast vollständig wieder in Palmyra eingerückt, nur im Süden lieferte er sich noch heftige Kämpfe mit syrischen Regierungstruppen. Die Extremisten wurden zunächst durch russische Luftangriffe wieder vertrieben, am Sonntag nun eroberten sie die Stadt erneut.
Die Islamisten hatten Palmyra erstmals im Mai 2015 eingenommen, waren vor acht Monaten jedoch von der syrischen Armee mit Unterstützung ihres russischen Verbündeten vertrieben worden. Während ihrer Herrschaft in Palmyra hatten sie zahlreiche einzigartige Kulturgüter zerstört.
11 Dec 2016
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