taz.de -- Proteste im Kongo: Blut fließt in Kinshasas Straßen

Die Gewalt nach der Niederschlagung von Protesten gegen die Wahlverschiebung nimmt kein Ende. Der politische Dialog ist vertagt.
Bild: Ein blutüberströmter UDPS-Anhänger in der Nähe der angezündeten Parteizentrale

Berlin taz | In der Demokratischen Republik Kongo weitet sich die Gewalt zwischen Oppositionsanhängern und Sicherheitskräften aus. Nachdem am Montag in der Hauptstadt Kinshasa mehrere Dutzend Menschen erschossen worden waren, kam es auch am Dienstag wieder zu blutigen Unruhen. Aus zahlreichen Stadtvierteln wurden Schüsse, Brandstiftungen und bürgerkriegsähnliche Zustände in einzelnen Straßen gemeldet.

Der von Kongos Regierung einberufene „nationale Dialog“ unter Leitung des togolesischen Vermittlers Edem Kodjo, bei dem eine Lösung des Streits über die nächsten Wahlen gefunden werden soll, liegt seit Montag aus Sicherheitsgründen auf Eis und wurde jetzt auf Freitag vertagt. Solange gehört die Macht in Kinshasa offenbar der Straße. Präsident Joseph Kabila weilt derweil bei der UN-Vollversammlung in New York.

Kabilas Amtszeit endet am 19. Dezember 2016, aber die Regierung will erst nach Ende der seit Juli laufenden Neuregistrierung der Wähler im Sommer 2017 einen Wahltermin festlegen – es kursiert bereits das Datum November 2018. Gegen diese Verlängerung von Kabilas Amtszeit durch die Hintertür hatten sich die Proteste am 19. September gerichtet, gegen die Polizei und Präsidialgarde mit Gewalt vorgingen.

Nach Angaben des Oppositionsbündnisses „Rassemblement“ (Sammlung), das aus der historisch größten Oppositionspartei UDPS (Union für Demokratie und Sozialen Fortschritt) unter Etienne Tshisekedi, der Parteienallianz G7 unter Exgouverneur Moise Katumbi und einigen anderen Parteien besteht, wurden bei der Niederschlagung der Proteste am Montag „über 50“ Demonstranten getötet. Sie seien „Opfer der scharf schießenden Polizei und Präsidialgarde“, erklärte die „Sammlung“ in der Nacht zum Dienstag. Außerdem gebe es „Tausende von Schwerverletzten“.

Zuvor hatte Kongos Innenminister Evariste Boshab von 17 Toten gesprochen – darunter drei Polizisten. Unabhängige Schätzungen liegen irgendwo dazwischen. Das UN-Menschenrechtsbüro im Kongo nennt 19 Tote für Montag. „Human Rights Watch“ sprach am Dienstag nachmittag von insgesamt 37 Toten bis zu diesem Zeitpunkt.

„Totalitäres Abgleiten“ oder „Aufstandsversuch“?

Die Regierung sprach von einem „Aufstandsversuch“, die Opposition von einem „totalitären Abgleiten des Regimes“. Sie rief in der Nacht zu erneuten Massenprotesten am Dienstag auf und kündigte an, „jeden Tag die Mobilisierung des Volkes zu intensivieren und zu verstärken“.

Direkt im Anschluss an die Verbreitung dieser Erklärung gingen die Parteizentralen der UDPS sowie vier anderer Oppositionsparteien im Stadtteil Limete von Kinshasa in Flammen auf. Am Montag hatten Demonstranten in der Nähe die Sitze der Regierungspartei PPRD (Volkspartei für Wiederaufbau und Entwicklung) und zwei anderer Parteien angezündet.

In der ausgebrannten UDPS-Zentrale wurden am Morgen zwei verkohlte Leichen geborgen. Die UDPS sprach von bis zu sieben Toten und Verletzten auf ihrem Gelände.

Es folgten Gegenanschläge auf öffentliche Gebäude. So wurde das Gerichtsgebäude im Stadtteil Ndjili, nahe dem internationalen Flughafen, in Brand gesteckt. Nach Regierungsangaben sollen in Ndjili außerdem vier Kinder bei einem Brandanschlag auf eine Schule ums Leben gekommen sein.

Im nahen Stadtteil Masina soll ein Angehöriger der Präsidialgarde getötet worden sein. Die für ihre Brutalität berüchtigte Präsidialgarde war in der Nacht in manchen Oppositionshochburgen von Haus zu Haus gegangen.

Oppositionsanhänger äußerten die Befürchtung, es könnten am Dienstag noch mehr Menschen getötet worden sein als am Vortag. „Auge um Auge, Zahn um Zahn“, twitterte ein Aktivist. Die Angst ging um, die Präsidialgarde könnte die Oppositionsführer in Kinshasa verhaften und der Präsident den Ausnahmezustand ausrufen.

Sanktionen im Gespräch

In Reaktion auf die blutige Gewalt soll die EU über Strafmaßnahmen gegen Kongos Regierung beraten. Frankreichs Außenminister Jean-Marc Ayrault sagte am Rande der UN-Vollversammlung in New York, man werde auf europäischer Ebene Sanktionen nach US-Vorbild diskutieren, sollte Präsident Joseph Kabila „mit allen Mitteln an der Macht bleiben“. Die Lage im Kongo sei „sehr besorgniserregend, extrem gefährlich und birgt das Potenzial für noch mehr Gewalt“, so Ayrault.

Die USA haben Strafmaßnahmen gegen Kongos Polizeichef Célestin Kanyama verhängt und erwägen eine Ausweitung auf weitere Personen. Auf EU-Ebene sind Sanktionen bislang blockiert, weil sich ein spanisch geführtes Konsortium um eine milliardenschwere Ausschreibung zum Ausbau der Inga-Staudämme am Kongo-Fluss bewirbt.

20 Sep 2016

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Dominic Johnson

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