taz.de -- Rechtsterrorismus in Freital: Gerichtsprozess im Flüchtlingsheim
Ein Gericht in Dresden will über die acht mutmaßlichen Rechtsterroristen an einem symbolhaften Ort urteilen. Aus rein organisatorischen Gründen.
Berlin taz | Es wäre ein Ort mit Symbolwirkung: Das Oberlandesgericht Dresden will den Freitaler Rechtsterrorismusprozess in einem Flüchtlingsheim führen. Das bestätigte Sprecherin Gesine Tews am Freitag. Eine interessante Wende, denn: Gegen die acht Verdächtigen wird just wegen Anschlägen auf Asylunterkünfte ermittelt.
Komme es zu einer Anklage, seien die Säle am Oberlandesgericht für die Vielzahl der Prozessbeteiligten und das „zu erwartende große öffentliche Interesse“ zu klein, sagte Tews der taz. Deshalb sei man auf die im Bau befindliche Erstaufnahmeeinrichtung für Asylsuchende im Dresdner Norden gestoßen. Das Gebäude werde für das Verfahren und die nötigen Sicherheitsanforderungen „vorübergehend angepasst“. Bis zu 700 Flüchtlinge sollen dort künftig untergebracht werden. Bis zum Verhandlungsende werden sie aber nicht ins Gebäude einziehen.
Die Ortswahl sei rein logistisch erfolgt, sagte Tews. „Wir mussten schauen, wo solch ein großes Verfahren adäquat stattfinden kann.“ Auch das sich in direkter Nachbarschaft die Dresdner Justizvollzugsanstalt befindet, sei Zufall.
Seit dem Frühjahr ermittelt die Bundesanwaltschaft gegen sieben Männer und eine Frau aus dem Raum Freital, festgenommen wurden sie im November 2015 und April 2016 wurden. Sie sollen in der Stadt bei Dresden ab dem Sommer 2015 zwei Flüchtlingsunterkünfte und ein linkes Wohnprojekt mit Sprengkörpern angegriffen haben. Ein Flüchtling erlitt dabei Schnittwunden im Gesicht. Zudem erfolgten in der Zeit Angriffe und Drohungen auf Flüchtlingshelfer und lokale Politiker, das Auto eines Linken-Stadtrats wurde gesprengt. Die taz hatte die Tatserie rekonstruiert.
Die Bundesanwaltschaft wertet die Anschläge als Rechtsterrorismus und zog die Ermittlungen an sich – erst das zweite Mal nach dem NSU. Ermittelt wird auch wegen versuchten Mordes und Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion. Die Verdächtigen sitzen weiter in Untersuchungshaft. Mit einer Anklage wird im Herbst gerechnet, der Prozess könnte zum Jahresende beginnen.
1 Jul 2016
AUTOREN
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Das Bundeskriminalamt hat Zahlen zu Angriffen auf Flüchtlingsunterkünfte veröffentlicht. Sie liegen leicht unter denen des Vorjahres, könnten aber noch steigen.
Sieben Männer und eine Frau aus Freital sollen unter anderem Anschläge auf Flüchtlingsheime verübt haben. Sie stehen nun unter Terrorismusverdacht.
Die Anschläge fallen in ein vergiftes Klima: Schon länger heizen Rechte die Stimmung an, für den 3. Oktober mobilisieren sie in der Stadt zum Protest.
Die Polizei meldete zum Stadtfest eine Schlägerei unter Nordafrikanern. Eine Woche später zeigt sich: Es war ein rechtsextremer Überfall auf Flüchtlinge.
Im NRW gab es bis Anfang Juni 114 Straftaten gegen Flüchtlingsunterkünfte. Zwei Drittel der Täter waren zuvor nicht in der rechtsextremen Szene aufgefallen.
Albrecht von der Lieth, Sprecher des Bündnisses „Nazifrei – Dresden stellt sich quer“, erzählt vom Widerstand gegen die Rechten.
Vom Reker-Attentäter bis zum Mammutprozess um den NSU: Gleich mehrfach beschäftigt rechter Terror derzeit die obersten Behörden des Landes.
Der Generalbundesanwalt sollte bei rechtem Terror schneller eingreifen, sagt Petra Pau. In Deutschland gebe es eine Situation wie Anfang der 90er-Jahre.
Ermittler vermuten hinter den Anschlägen in Freital Rechtsterrorismus. Die Verdächtigen gaben sich nach außen harmlos – auf den ersten Blick.
Gefahr erkannt: Das Eingreifen des Generalbundesanwaltes in Freital ist ein wichtiges Signal für die deutsche Demokratie.