taz.de -- Polizeiruf 110: Hart, härter, Magdeburg
Ein Zwölfjähriger wird zusammengeschlagen und stirbt. Was hat der Bruder damit zu tun? Der aktuelle Polizeiruf spart nicht an Gewaltszenen.
Kürzlich wurde an dieser Stelle bemerkt, wie wenig Fernsehkommissare hierzulande auf Höflichkeitsfloskeln geben: bitte, danke, solche Kleinigkeiten. Ähnlich rätselhaft ist die Tatsache, dass Befragungen von Verdächtigen in gefühlt 90 Prozent der Fälle nicht von der KommissarIn beendet werden.
Wenn’s den Zeugen zu bunt wird, gehen sie. Oder fangen an, im Garten die Rosen zu schneiden. Der Jugendamtsmitarbeiter in der neuen „Polizeiruf“-Folge aus Magdeburg stürmt mit einem „Ich glaube, es reicht jetzt!“ samt Schützling aus dem Polizeirevier. Einfach so.
„Endstation“ ist ein harter „Polizeiruf“ geworden. Ein zwölfjähriger Junge wird auf der Straße zusammengeschlagen, er stirbt vor dem Polizeirevier. Normalerweise wird die Gewaltszene ausgespart: Schnitt, ein kaputtes Spielzeug, die verlassene Schultasche neben dem Bordstein. Regisseur Matthias Tiefenbacher wird konkret, was ziemlich schwer auszuhalten ist. Weil man hofft, dass vielleicht doch noch jemand kommt, um das sommersprossige Kindergesicht zu beschützen.
Es kommt aber niemand: nicht die drogenabhängige Mutter, nicht die völlig überforderten Pflegeeltern, die sich das alles „irgendwie anders“ vorgestellt hatten mit den Pflegekindern. Nicht der große Bruder Sascha (Nino Böhlau), auf den sich die Ermittlungen von Kommissarin Brasch (Claudia Michelsen) und ihrem neuen Kollegen Köhler (Matthias Matschke) konzentrieren. Musste der kleine für den großen Bruder bei einer Einbruchsserie Schmiere stehen? Wollte er deshalb zur Polizei?
Das Ende mit Schrecken ist ziemlich vorhersehbar. Gucken lohnt trotzdem: Sehr unterhaltsam, wie Mattschke als nerviger Sympath seine neue Kollegin von der ersten Sekunde an in Rage bringt. Zum Glück hat man’s im Krimi nicht so mit der Höflichkeit.
29 May 2016
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