taz.de -- „Polizeiruf 110“ aus Magdeburg: David Lynch an der Elbe

Der Magdeburger „Polizeiruf“ erfüllt alle Klischees eines TV-Krimis. Dafür bietet er Stimmungen des US-Kult-Regisseurs.
Bild: Schaut zu tief ins Glas und fährt dann trotzdem Auto: Kriminalrat Lemp (Felix Vörtler)

Die Straße, die sich in den nächtlichen Wald bei Magdeburg schlängelt, könnte auch aus einem David-Lynch-Film stammen. In der [1][dritten Staffel von „Twin Peaks“] kündigt sich bei den Nachtfahrten meist das Unheil an. So auch im aktuellen „Polizeiruf 110“, in dem die Polizei ziemlich schlecht wegkommt.

Denn die Person, die hier durch den Wald fährt, ist Kriminalrat Uwe Lemp (Felix Vörtler), der auch nach ein paar Schnäpsen keinen Bock auf ein Taxi hat und sich selbst hinters Steuer klemmt. Es kommt, wie es kommen muss: Lemp fährt einen Mann an, der daraufhin panisch ins Unterholz flüchtet. Das Problem: Am nächsten Morgen finden Polizeibeamte nahe der Unfallstelle die Leiche einer Frau. Und die soll eigentlich schon vier Jahre zuvor ums Leben gekommen sein. Der „Tod einer Toten“?

Der Titel der neuen „Polizeiruf 110“-Folge könnte zwar aus einem Bastei-Lübbe-Groschenroman stammen, aber egal. Denn nach der Nachtfahrt geht es nicht weniger spannend weiter. Bald stellt sich heraus: Die ermordete Frau war im Zeugenschutzprogramm, weil sie von Drogendealern bedroht wurde. [2][Hauptkommissarin Doreen Brasch (Claudia Michelsen)] und Opa Werner Mannfeld (Christian Kuchenbuch) kümmern sich daraufhin um das Kind der toten Frau.

Was die Zuschauer*innen zu diesem Zeitpunkt bereits ahnen, die Ermittler*innen aber nicht: Dieser „Polizeiruf“ dreht sich um zwielichtige Gestalten, die im organisierten Heroinhandel arbeiten, der über das Darknet abgewickelt wird. Und um den Kriminalbeamten Lobrecht (Steffen C. Jürgens), der sich extra zur Drogenfahndung hat versetzen lassen, um mit den Dealern noch alte Rechnungen zu begleichen. Na ja, so richtig überraschend ist das alles nicht – aber die Stimmung passt.

Denn gerade die düstere sachsen-anhaltische Landschaft verschafft dem Krimi das gewisse Etwas. Die vereisten Äcker rund um Magdeburg und der graue Himmel tragen ein Unbehagen über 90 Minuten, dass Zuschauer*innen denken: Hier stimmt was nicht.

Die Polizei zu rufen ist nicht immer die beste Idee

Die Landschaften sind rau, die Menschen wortkarg, die Familien zerrüttet. Das ist alles stimmungsvoll, aber auch ziemlich klischeebehaftet. Doch in manchen Klischees steckt ja bekanntlich ein wahrer Kern. Denn was bleibt am Ende hängen? Die Polizei zu rufen ist nicht immer die beste Idee.

20 Sep 2020

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Denis Giessler

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