taz.de -- „Polizeiruf 110“ aus München: Strudelnd abwärts, paranoid
Illusionen, Albträume und Parallelen zum Fall Mollath: Im Münchner Polizeiruf verschwimmt die Grenze zwischen Wahn und Realem.
Es fängt schon ganz falsch an: Ein treibender Doldinger-Jazz jagt einen keuchenden Kommissar von Meuffels (Matthias Brandt) vor sich her – wir sind hier doch nicht beim „Tatort“! Und auch nicht in einem Edgar-Wallace-Streifen, auch wenn das die großen Schriftzüge im Vorspann suggerieren.
Genau mit diesem diffusen Gefühl, wenn verschiedene Realitätsebenen ineinandersuppen, spielt der aktuelle Münchner Polizeiruf „Sumpfgebiete“. Zum einen ist da Julia Wendt (brillant zerrissen: Judith Engel), frisch aus der Psychiatrie entlassen: Es heißt, sie habe damals einen Anschlag auf ihren Mann verübt, der den Schönen und Reichen beim Steuerhinterziehen half (genau, Volker Einrauchs Buch klingt nach dem Fall Gustl Mollath). Wieder frei, will sie die Steuerbetrügerliste veröffentlichen, fühlt sich verfolgt und nervt damit von Meuffels, bis sie ermordet wird – war also kein Wahn.
Zentraler und uneindeutiger ist die Paranoia bei von Meuffels, der den Mord an Wendt aufklären will. Er vermutet, selbst überwacht zu werden, gerät immer tiefer in einen Strudel aus Albträumen, Erinnerungsfetzen und Illusionen, bis er ganz graugesichtig wird. Dass der herrlich unsympathische Ulrich Noethen als sein Vorgesetzter auch verwickelt scheint, macht’s nicht besser. Wo, bitte, ist die „Unter Verdacht“-Kollegin Senta Berger aus der Abteilung Interne Ermittlungen, wenn man sie mal braucht?
Wie Regisseurin Hermine Huntgeburth (von ihr sind etwa „Das Trio“, der tolle Hessen-Tatort „Die Geschichte vom bösen Friedrich“ und der TV-Film „Männertreu“, ebenfalls mit Brandt) die Grenze zwischen Wahn und Realem für Kommissar wie Zuschauer ununterscheidbar macht, ist großes Kino. Aber auch dieser Krimi ist – wie die letzten drei Sonntagabendkrimis – wieder sehr, sehr dunkel gefilmt. Also gleich mal die Wohnzimmerlampe anknipsen.
27 Nov 2016
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