taz.de -- ARD-Krimi „Kalt ist die Angst“: Es bleibt schön eingängig
Die Protagonistin Claire Heller fühlt sich ständig beobachtet. Sie beginnt jedem in ihrem Umfeld zu misstrauen – auch sich selbst.
Für einen Samstagskrimi gerät die Ouvertüre sanft. Claire Heller (Caroline Peters) sitzt am Spielplatzrand und erfreut sich am Anblick der Kinder. Dann ein Blinzeln – und die Schaukel ist leer. Als Claire geht, liegt der Spielplatz verlassen da. Ihr Handy fiept. Zeit für die Tablette.
Fachgerecht durchsetzt Drehbuchautor Berno Kürten seinen Psychothriller mit immer neuen Irritationen. Ständig kreuzt ein unbekannter Mann Claires Wege, natürlich glaubt sie sich verfolgt. Ihr Mann David (Hans-Werner Meyer), gerade erst aus Afrika zurück, stellt nur kurz seine Tasche ab und eilt zum nächsten Termin. Sie wird ihn nicht lebend wiedersehen.
Während Claire um ihren Verstand ringt, muss das Publikum keine nachwirkenden Verstörungen fürchten. Nie kommt ernsthaft in Betracht, dass Claire sich all diese befremdlichen Vorkommnisse nur einbildet. Dafür ist die Sympathieführung zu eindeutig. Wir bleiben an Claires Seite, fiebern und leiden mit ihr. In diesem Punkt ergeben sich Autor und Regisseur dann doch den Anforderungen des Sendeplatzes, dessen Zuschauerschaft Eingängigkeit verlangt und beruhigt in die Nacht gehen möchte.
Aber es gibt schöne Einfälle wie den, dass die gelernte Modeschöpferin Claire einen markanten Strickmantel aus dem Gedächtnis zeichnet und das Blatt für ihre Recherchen nutzt. Christoph Maria Herbst muss hier mal nicht strombergisch die Augen aufreißen, sondern verkörpert etwas zu genüsslich einen undurchsichtigen Leibwächter.
Caroline Peters agiert sensibel; trefflich auch die Fotografie, wenn sich die Schatten der Jalousien wie fesselnde Bänder über Claires Gesicht legen und von ihr quasi durchbrochen werden. Andererseits sind den Beteiligten grobe Logikpatzer durchgeflutscht – was nicht passieren sollte. Nicht mal bei spannungsentladenen Samstagabendkrimis.
14 Jan 2017
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