taz.de -- Kommentar Morde in Bangladesch: Fatale Dynamik der Gewalt

In Bangladesch werden Zivilisten ermordet. So sollen Menschen, die einen liberalen Islam pflegen, in Richtung Islamismus gezwungen werden.
Bild: Der Sarg des ermordeten Schwulenaktivisten Xulhaz Mannan in Dhaka

Säkulare und liberale Vertreter der Zivilgesellschaft von Bangladesch sind seit Monaten Ziel einer brutalen Mordkampagne. Zuerst traf es Blogger, dann Verleger, Studenten, Professoren und jetzt den ersten Schwulenaktivisten. Seit 2013 kursieren Todeslisten.

Schon mehrere Menschen, deren Namen sich darauf finden, wurden mit Macheten zerhackt. Die Morde sollen eine ganze Gesellschaft von 160 Millionen Menschen, die mehrheitlich einen liberalen Islam pflegen, einschüchtern und in eine islamistische Richtung zwingen.

Diese terroristische Gewalt trifft auf ein gesellschaftliches Klima und eine politische Kultur, in der politische Gewalt verbreitet ist. Ihrer bedienen sich auch die beiden größten und bis in die Führungsspitze persönlich verfeindeten Parteien.

Zugleich bleiben die Gewaltopfer allein und ungeschützt. Sich öffentlich für bedrohte Gruppen und Individuen auszusprechen, traut sich kaum noch jemand, weil dann die reale Gefahr besteht, als Nächstes bedroht oder ermordet zu werden. Die politischen Morde werden in der Regel nie aufgeklärt, weil die politischen Kontrahenten daran kein wirkliches Interesse haben. Denn für sie ist die Gewalt nützlich.

Die Opfer brauchen Schutz

Die Opposition, die selbst mit gewalttätigen Islamisten paktiert und sich nie von deren Gewalt distanziert, wirft der Regierung vor, unfähig bei der Verhinderung der Morde zu sein. Die regierende Awami-Liga ihrerseits schiebt die Gewalt der Opposition in die Schuhe und versucht diese so zu diskreditieren. Gleichzeitig weist die Regierung gebetsmühlenartig alle Selbstbezichtigungen des Terrornetzwerks Islamischer Staat (IS) zurück.

Für die Regierung wäre die Aktivität des IS im Land ein Ansehensverlust und großer Imageschaden. Und dann könnte die Opposition natürlich auch nicht mehr so leicht für die Gewalt verantwortlich gemacht werden. Für die potenziellen Opfer ist das nebensächlich, sie brauchen Schutz und ein Ende der Straflosigkeit.

27 Apr 2016

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Hansen

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