taz.de -- Kolumne „German Angst“: Burn, Deutschland, burn
AfD-Erfolge bei den Wahlen, der rechte Mob, eine untätige Polizei und verharmlosende Politiker: Nun ist es vollständig, das deutsche Volk.
Als „sehr bedauerlich“ hat Hessens SPD-Chef Schäfer-Gümbel den [1][Aufstieg der AfD] in den Speckgürtel der großen Parteien bezeichnet. Bedauerlich wahrscheinlich deshalb, weil die SPD diese Stimmen nie zurückbekommen wird. Obwohl sie sich bemühen, sind die Sozialdemokraten die schlechteren Rechtspopulisten.
Die Menschen in Deutschland, sie sind schließlich nicht erst durch Gründung der AfD „so“ geworden. Vorher wählten sie eben CDU, SPD, Grüne, Linke, FDP. Und die Etablierten kennen ihre Pappenheimer, sonst würden sie ja nicht ständig versuchen, den Fremdenfeinden das Wasser abzugraben. Die AfD ist deshalb die gar nicht so neue deutsche Mitte. Sie vereint die Parteien, sie den Osten und den Westen, oben und unten. Sie ist überall da, wo Deutsche sind.
Und während dem Parlament ein rechter Wasserkopf wächst, machen sich die Beine auf, tragen den Rumpf irgendwohin, treten ein paar Scheiben ein. Sie laufen dem Staat die Position als Souverän ab. Die Polizei, Arm dieses (ehemaligen) Souveräns, lässt die Beine die Richtung vorgeben. Warum auch nicht? Von oben kommt ja eh keine Ansage.
Nun ist es vollständig, das deutsche Volk: es hat einen hässlichen Kopf, einen fetten untätigen Rumpf und ein Paar flinke Beine. Deutschland baut den Anti-Golem.
Weil er es darf
Dass der Mob, wie in Clausnitz, selbst Hand anlegt, liegt vor allem daran, dass er das darf. Niemand verbietet es ihm. Niemand hindert ihn daran. Wie ein ungezogenes Kind wird der Mob immer dann zurechtgewiesen, wenn er sich schon überall breitmacht. Die, welche auch vor Horror stocksteifen Kindern noch ihren Hass ins Gesicht brüllen können, bringen dabei große Emotionen auf: Aus Liebe zur Heimat zünden sie lieber ihr eigenes Scheißkaff an, als mit Anderen dieselbe Luft zu atmen. Lieber ein Haufen Asche als Zugezogene im Nachbarhaus. Das ist das Volk.
Das Feierabendpogrom ist salonfähig geworden. Weil man es geschehen lässt. Weil ein Mittelfinger gegen das deutsche Volk ein Verbrechen ist und der maßlose Hass der einfachen Leute ein Ausdruck von Wut. Und vielleicht ist das Einzige, was dieses Volk verbindet, wirklich eine seelenlose Dummheit. Die Fähigkeit, sich mit seinem Restverstand gegen alle jene zusammenzuschließen, denen es noch dreckiger geht. Wer will dem kleinen Mann vorwerfen, dass er sein Hab und Gut – Frau, Handy, Rente – den Ausländerbanden überlässt? Lieber wird er selbst Teil eines Clans.
Aber die hassverzehrten Gesichter von der Straße sind nur die, die man sehen will. Zum Volk gehören sie alle – Nachbarn, die aus „Sicherheitsgründen“ die Haustür abschließen; Ärzte, die wegen der „Hygiene“ keine Flüchtlinge behandeln; Lehrerinnen, die ihre Schülerinnen vor den „muslimischen Männern“ warnen; Politiker, die „verschwiegene Wahrheiten“ aussprechen; Ökonomen, die den „Volkstod“ vorausraunen.
Das ist Deutschland. Ein Ort, an dem der Hass nur so wenig Anlass braucht, um alle zu ergreifen – oder zu lähmen. Und so bekommt der Staat genau das Volk, das er sich verdient hat: eines, das lieber die Welt in Flammen setzt, als einen Gedanken an sie zu verschwenden.
So soll es denn sein. Burn, Deutschland, burn.
8 Mar 2016
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