taz.de -- Neonazis und Flüchtlinge in Bautzen: Bis zur Unterkunft verfolgt
Im sächsischen Bautzen standen sich Rechtsextreme und Asylsuchende gegenüber. Als ein Krankenwagen gerufen wurde, bewarfen ihn die Neonazis mit Steinen.
Bautzen dpa/taz | In der sächsischen Stadt Bautzen ist es zu Auseinandersetzungen zwischen Rechten und Flüchtlingen gekommen. Wie die Polizei am Donnerstag mitteilte, standen sich am Mittwochabend auf einem Platz rund 80 gewaltbereite Männer und Frauen – zum Großteil aus dem rechtsextremen Spektrum – 20 jungen Asylbewerbern gegenüber. Zwischen beiden Lagern kam es zu verbalen und tätlichen Übergriffen. Es seien Flaschen geworfen worden, berichteten Zeugen.
Ein Großaufgebot von rund 100 Polizisten trennte die Gruppen und forderte sie auf, den Platz zu verlassen. „Sie skandierten Parolen, wonach Bautzen und der Kornmarkt den Deutschen gehören würde“, zitiert der MDR einen Polizeisprecher. Aus der Reihe der Asylsuchenenden wurden die Beamten den Angaben zufolge unter anderem mit Flaschen und Holzlatten beworfen.
Als die Asylsuchenden sich vom Platz entfernten, wurden sie von den Rechtsextremen bis zur ihrer Unterkunft verfolgt, so die Polizei. Einer von ihnen habe Verletzungen erlitten. Die Rechtsextremen hätten den angeforderten Krankenwagen bei der Anfahrt gehindert und mit Steinen beworfen. Er musste schließlich unter Polizeischutz zur Unterkunft fahren.
Die Kriminalpolizei ermittelt wegen des Verdachts auf Landfriedensbruch und gefährliche Körperverletzung.
In Bautzen war es in den vergangenen Monaten immer wieder zu Konflikten gekommen. Zuletzt wurde am Dienstagabend ein 32 Jahre alter Bautzener durch einen Flaschenwurf verletzt. Im Februar hatten betrunkene Schaulustige bei einem vorsätzlich gelegten Feuer in einer künftigen Flüchtlingsunterkunft mit unverhohlener Freude zugesehen, einige behinderten die Löscharbeiten.
15 Sep 2016
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
In der sächsischen Stadt attackieren Rechte eine Gruppe linksorientierter Jugendlicher. Der Staatsschutz ermittelt, die Partei die Linke warnt vor einem Nazi-Problem.
Im Herbst 2014 lauerten Rechtsextreme sorbischen Jugendlichen auf. Auch heute haben die Betroffenen keine Ruhe.
„Welche Gewalt geht schon von 20 Kindern aus?“, fragt Sven Scheidemantel vom Verein „Willkommen in Bautzen“. Er wünscht sich mehr Deeskalation.
Neonazis gehen in Bautzen Gegendemonstranten und einen Kameramann an. Mit ihren Handys versuchen sie, ihren vorübergehenden Ruhm festzuhalten.
In Bautzen haben sich am Abend erneut rund 350 Rechte versammelt, nur 25 waren bei der Gegendemo. Ein Journalist wurde von den Neonazis geschlagen.
Der sächsische Verfassungsschutz veröffentlicht seinen neuen Jahresbericht. Die Pegida-Bewegung ist für ihn weiter kein Thema.
Während des Brandes im Februar behindern Schaulustige die Löscharbeiten. Nun stehen drei Männer wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte vor Gericht.
AfD-Erfolge bei den Wahlen, der rechte Mob, eine untätige Polizei und verharmlosende Politiker: Nun ist es vollständig, das deutsche Volk.
Rund 83 Prozent der Befragten bereiten die gewalttätigen Proteste gegen Flüchtlinge Unbehagen. Die Einführung einer Obergrenze befürwortet ebenfalls eine Mehrheit.
Die Zahl rechtsmotivierter Gewalttaten in Sachsen ist stark angestiegen. Ministerpräsident Tillich sagt, man habe die Dimension des Rechtsextremismus unterschätzt.