taz.de -- Vor der Syrienkonferenz der UN: Assad ist und bleibt umstritten

Der neue Anlauf für Friedensgespräche in Genf steht unter schlechten Vorzeichen. Beide Seiten reisen mit völlig konträren Positionen an
Bild: Die syrisch-russische Freundschaft macht die Verhandlungen nicht weniger komplex.

Genf taz | Die syrische Regierung und die Opposition gehen in die für Montag geplante Wiederaufnahme ihrer von der UNO vermittelten Gespräche in Genf mit völlig konträren Positionen, die erneut ein baldiges Scheitern befürchten lassen. Die syrische Regierung stellt darüber hinaus auch die Kompetenzen von UNO-Vermittler Staffan de Mistura und damit die völkerrechtliche Grundlage der Gespräche infrage.

Mohammed Allusch, der islamistische Chefunterhändler des Oppositionbündnisses „Hoher Verhandlungsrat“ (HNC), erklärte am Sonntag bei seiner Ankunft in Genf, dass „ein politischer Neuanfang in Syrien nur ohne Präsident al-Assad möglich“ sei. „Wir glauben, dass eine Übergangszeit mit dem Sturz oder Tod von Baschar al-Assad beginnen sollte“, erklärte Allusch. Ein Übergangsprozess sei nicht möglich „in der Gegenwart dieses Regimes oder solange der Kopf dieses Regimes noch an der Macht ist“.

Der syrische Außenminister Walid al-Muallim hatte dagegen am Samstag betont, seine Regierung werde „mit niemandem reden“, der Assad als Präsidenten infrage stelle. Wenn der HNC an seiner Forderung festhalte, brauche er „gar nicht erst zu den Verhandlungen nach Genf reisen“. Zudem wies der Außenminister das von de Mistura bekräftigte Ziel von Präsidentschafts- und Parlamentswahlen in Syrien in spätestens 18 Monaten zurück: „Weder der UN-Sondervermittler noch sonst irgendjemand hat das Recht, Präsidentschaftswahlen zur Sprache zu bringen. Die Wahlen sind das Exklusivrecht des syrischen Volkes. Was de Mistura sagt, widerspricht daher allen UN-Dokumenten, auf die sich der bevorstehende Dialog stützt.”

Diese Darstellung des syrischen Außenministers ist falsch. Der vom UNO-Sicherheitsrat am 22. Dezember vergangenen Jahres einstimmig abgesegnete Friedensplan für Syrien, die völkerrechtliche Grundlage für die Genfer Gespräche, sieht nach einem Waffenstillstand Verhandlungen über die Bildung einer Übergangsregierung aus Vertretern von Regierung und Opposition bis spätestens Mitte 2016 vor, die Erarbeitung einer neuen Verfassung durch diese Übergangsregierung sowie von der UNO-überwachte Präsidentschafts- und Parlamentswahlen in spätestens 18 Monaten, also etwa Mitte 2017.

Die USA und Russland sowie UNO-Vermittler de Mistura hatten sich bislang bemüht, die Frage nach der künftigen Rolle Assads erst einmal aus dem Verhandlungsprozess auszuklammern und in den nächsten Wochen zunächst eine Einigung zwischen den Konfliktparteien über die Bildung einer Übergangsregierung herbeizuführen.

Sollte die syrische Regierungsdelegation in Genf unter Leitung des UNO-Botschafters in New York, Baschar al-Dschaafari, allerdings darauf bestehen, dass Assad der Übergangsregierung angehören soll, könnten die Gespräche schon bald wieder platzen. Denn sämtliche säkularen und islamistischen, politischen und bewaffneten Oppositionsgruppen sind sich bei allen Kontroversen untereinander einig in der Forderung, dass Assad spätestens mit der Etablierung der Übergangsregierung von der Macht abtreten muss.

14 Mar 2016

AUTOREN

Andreas Zumach

TAGS

Schwerpunkt Syrien
Baschar al-Assad
„Islamischer Staat“ (IS)
Uno
Schwerpunkt Syrien
Schwerpunkt Syrien
Russland
telefonieren
Den Haag
Russland
Russland
Russland
Schwerpunkt Syrien
Schwerpunkt Syrien
Schwerpunkt Syrien
Irak-Krieg
Schwerpunkt Syrien

ARTIKEL ZUM THEMA

Syrien-Gespräche in Genf: Das Assad-Regime blockiert

Die Regierung stellt die Themen und den Zeitplan der Verhandlungen infrage. Russland will eine Reaktion auf die Verstöße gegen die Waffenruhe.

Syrer über das Exil in Deutschland: Stärker werden, jeden Tag

Der Autor ist vor mehr als einem Jahr nach Deutschland geflohen. Seine Vergangenheit und seine Verluste holen ihn immer wieder ein.

Bürgerkrieg in Syrien: Krieg der Hegemonialmächte

Der Aufstand wurde zu einem der längsten Bürgerkriege seit 1945. Der „IS“ nutzte ein Machtvakuum, das auch für andere Staaten attraktiv ist.

Gespräche mit der Heimat: Keine Pause vom Telefon

Wenn es in Syrien gerade Strom und einen Internetzugang gibt, wird telefoniert – egal wann, auch nachts. Oft spricht man in Codes.

Kolumne Macht: Tribunal, ein andermal

Die erfreulichste Meldung aus Syrien, die derzeit vorstellbar wäre? Dass Baschar al-Assad mit russischer Unterstützung ins Exil geht.

Kommentar Russlands Teilabzug in Syrien: Mission längst nicht beendet

Ein Teil der russischen Truppen zieht aus Syrien ab. Putin hat einige seiner Ziele erreicht und wird ein wichtiger Player in Nahost bleiben.

Teilabzug Russlands aus Syrien: Militärpräsenz weiter vorgesehen

In Genf wird wieder über eine politische Lösung für den Bürgerkrieg geredet. Moskau setzt nun ein Signal. Obama begrüßt dies. Die Opposition ist skeptisch.

Konflikt in Syrien: Putin zieht seine Truppen zurück

Der russische Staatschef hat den Abzug eines Großteils seiner Armee angeordnet. Sie habe ihre Aufgabe weitgehend erfüllt. Die Aktion sei mit Assad abgestimmt.

Freie Syrische Armee: Von aller Welt verlassen

Die gemäßigte Freie Syrische Armee ist totgesagt worden. Zwei ihrer Generäle aus Aleppo blicken dennoch optimistisch in die Zukunft.

Krieg in Syrien: Kommt es zur Kampfpause?

Fast 100 Rebellengruppen bekunden, sie seien zur Feuerpause in Syrien bereit. Auch der russische Präsident Putin will ähnliche Aussagen erhalten haben.

Syrien-Verhandlungen: Assad akzeptiert Waffenstillstand

Das syrische Regime stimmt einer Waffenruhe ab Samstag zu. Auch die Opposition ist dafür, aber unter Bedingungen. Für April hat Assad eine Wahl angesetzt.

Treffen der Koalition in Paris: Schwieriger Anti-IS-Gipfel

Die Konferenz beginnt mit dem Eingeständnis des Misserfolgs. Die Verantwortung dafür schieben sich die Teilnehmer gegenseitig zu.

Das PKK-Verbot ist überholt: Ein Hauch von Stalingrad

Nach dem historischen Sieg über den IS ist es an der Zeit, das PKK-Verbot aufzuheben und beim Wiederaufbau von Kobane zu helfen.