taz.de -- Kommentar Türkei bombt in Nordsyrien: Erdoğans neue Front

Das Nato-Mitglied Türkei stellt sich immer stärker auf die Seite der Islamisten in Syrien – und damit gegen russische und US-Interessen
Bild: Krawalle in Istanbul im November 2015, nach der Beisetzung eines kurdischen Kämpfers, der in Syrien von einer Mine getötet wurde

Die türkische Außenpolitik wird immer erfolgreicher. Nach dem Abschuss eines russischen Kampfbombers und der daraus resultierenden offenen Feindseligkeit zwischen der Türkei und Russland legt sich Erdoğans Regierung nun auch noch mit der anderen Supermacht, den USA, an. Türkische Kampfbomber und Artillerie greifen seit Samstagnacht Stellungen der syrischen Kurdenmiliz YPG in Nordsyrien an.

Die kurdische Miliz wird aber nicht nur von den Russen wohlwollend toleriert – erst kürzlich eröffneten die syrischen Kurden eine quasi diplomatische Vertretung in Moskau – sondern sie sind vor allem mit den US-Streitkräften im Kampf gegen den sogenannten Islamischen Staat (IS) eng verbündet.

Seit Wochen empört sich Erdoğan darüber, dass die USA eine eng mit der PKK verbündete Organisation wie die YPG bewaffnet und logistisch unterstützen. Seit die YPG mit amerikanischer Luftunterstützung den IS aus Kobane vertreiben konnte, sind sie für Obama die wichtigste Bodentruppe gegen die Radikalislamisten. Doch die Türkei sieht sich vielmehr von den Kurden als vom IS bedroht, weshalb die Gerüchte auch nicht verstummen, dass Erdoğan allen Dementis zum Trotz den IS nach wie vor unterstützt.

De facto stellt sich das Nato-Mitglied Türkei immer stärker auf die Seite der Islamisten in Syrien, gegen die russischen Interessen, aber auch gegen die USA. Eine Aufforderung der USA, den Beschuss der YPG einzustellen, ignoriert Erdoğan. Die Situation in Syrien wird immer komplizierter. Die ersten saudischen Kampfjets, die jetzt in der Türkei stationiert sind, werden Erdoğan in seiner Haltung bestärken.

Während die USA den IS bekämpfen wollen, geht es Türken und Saudis hauptsächlich darum, iranische Assad-Unterstützer und die Kurden niederzumachen. Ein Waffenstillstand scheint deshalb illusorisch. Eher sieht es aus, als würde gerade eine neue Eskalation des Krieges eingeleitet.

15 Feb 2016

AUTOREN

Jürgen Gottschlich

TAGS

Schwerpunkt Türkei unter Erdoğan
Recep Tayyip Erdoğan
YPG
Syrischer Bürgerkrieg
Türken
Schwerpunkt Türkei unter Erdoğan
Schwerpunkt Türkei unter Erdoğan
Schwerpunkt Syrien
Schwerpunkt Syrien
Schwerpunkt Türkei unter Erdoğan

ARTIKEL ZUM THEMA

Pro- und Anti-Erdogan-Demonstrationen: Türken und Kurden auf der Straße

Gleich in mehreren deutschen Städten demonstrierten am Sonntag Unterstützer und Gegner von Erdogan. Polizisten verhinderten Konfrontationen.

Nach den Anschlägen in der Türkei: Heftigste Angriffe auf Kurdenmiliz

Sieben Stunden lang soll die türkische Armee nordsyrische Kurdengebiete beschossen haben. In Diyarbakir starben drei türkische Sicherheitskräfte.

Türkei im Syrienkrieg: Ankara bombardiert Kurden in Syrien

Die Regierung will den Zusammenschluss kurdischer Gebiete verhindern. Damit verschärft sie auch die Spannungen mit den USA.

Krieg in Syrien: Die Schlinge um Aleppo

Unterstützt von Russland erobert das Regime immer mehr die Rebellengebiete um Aleppo. Ein Sieg Assads hätte fatale Folgen.

Syrien-Verhandlungen in Genf: Noch geht da nichts

Die Syrien-Verhandlungen in Genf kommen nicht in Gang: Zu groß sind die Differenzen der in Syrien agierenden Akteure und Regionalmächte.

Türkei beschießt syrische Kurden: Granaten auf IS-Gegner

Die Kurdenmiliz YPG rückt in Nordsyrien gegen den IS vor. Nun bestätigte der türkische Ministerpräsident Davotoglu Schüsse auf die kurdischen Kämpfer.