taz.de -- Autorin Swetlana Alexijewitsch: Literaturnobelpreis für Weißrussin
Seit Jahren gehörte sie zu den Favoriten. Nun erhält die Weißrussin Swetlana Alexijewitsch den wichtigsten Literaturpreis der Welt.
Stockholm dpa/taz | „Für ihr vielstimmiges Werk, das dem Leiden und dem Mut in unserer Zeit ein Denkmal setzt“, bekommt die weißrussische Autorin Swetlana Alexijewitsch (67) in diesem Jahr den Literaturnobelpreis. Das gab die Schwedische Akademie am Donnerstag in Stockholm bekannt. Alexijewitsch ist erst die 14. Frau, die die Auszeichnung gewinnt, die als wichtigster Literaturpreis der Welt gilt.
Alexijewitsch gilt als „Stimmensammlerin“, die Alltagsgespräche in Russland, Weißrussland und der Ukraine aufzeichnet und kunstvoll zu Literatur arrangiert. Auf Deutsch erschien zuletzt von ihr „Secondhand-Zeit. Leben auf den Trümmern des Sozialismus“, ein Kompendium an Stimmen zum Niedergang der Sowjetunion. [1][Im Jahr 2013 erhielt sie den Friedenspreis des deutschen Buchhandels.]
In ihrer Preisrede [2][sagte sie damals:] „Ich habe den größten Teil meines Lebens in der Sowjetunion verbracht. Im kommunistischen Versuchslabor. Auf dem Tor des schrecklichen Lagers auf den Solowki-Inseln hing die Losung: ‚Mit eiserner Hand zwingen wir die Menschheit zum Glück‘.“
„Der Homo sovieticus ist ein Mensch, der gar nicht weiß, was frei sein bedeutet. Wenn es verschiedene Sorten Wurst gibt, dann ist das für ihn Freiheit“, sagte Swetlana Alexijewitsch im Januar 2011 [3][in einem Interview der taz.]
Im vergangenen Jahr hatte die Jury den Franzosen Patrick Modiano (70) für seine „Kunst der Erinnerung“ geehrt, mit der er die unbegreiflichsten menschlichen Schicksale wachgerufen habe. Letzte deutschsprachige Preisträger waren Herta Müller (2009), Elfriede Jelinek (2004) und Günter Grass (1999).
Nominiert waren in diesem Jahr knapp 200 Schriftsteller. Fünf schaffen es auf eine Shortlist, aus der die Schwedische Akademie den Nobelpreisträger auswählt.
Verliehen wird die mit acht Millionen schwedischen Kronen (etwa 850.000 Euro) dotierte Auszeichnung traditionell am 10. Dezember in Stockholm. Das ist der Todestag des schwedischen Preisstifters und Dynamit-Erfinders Alfred Nobel (1833-1896). Auf sein Testament gehen die fünf Nobelpreise zurück. Sie werden schon seit 1901 vergeben.
Stockholmer Jurys haben in dieser Woche bereits Preisträger in Medizin, Physik und Chemie gekürt. Am Freitag verrät das norwegische Nobelkommittee, wer den diesjährigen Friedensnobelpreis bekommt. Als einzige der Auszeichnungen wird der Friedensnobelpreis nicht in der schwedischen Hauptstadt Stockholm, sondern im norwegischen Oslo verliehen.
8 Oct 2015
LINKS
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Altertümlich und schön ist die Sprache in Brigitte Kronauers Roman „Der Scheik von Aachen“. Jedoch fragt sich der Leser: Warum das alles?
Seit Wochen protestieren Menschen in Weißrussland gegen eine Steuer, die Arbeitslose zahlen sollen. Der Präsident vermutet das Ausland hinter den Protesten.
Die EU will die Sanktionen gegen den autoritären Staat aussetzen, weil die Wahl ruhig verlief. Oppositionsführer durften allerdings nicht teilnehmen.
Ein Aufwachsen in den 60ern und 70ern, das Leben in kleinstädischer Lethargie. In seinem Roman wirft Witzel Wahn und Wirklichkeit durcheinander.
Weißrusslands Opposition ist begeistert vom Nobelpreis für Alexijewitsch. Aber es gibt auch andere Meinungen.
Man hat das schöne Gefühl, dass die Nobelpreisjury die Bandbreite literarischer Möglichkeiten im Blick hat. Und vor allem: dass in ihr Leser sitzen.
Selbst in seinem Heimatland ist die Auszeichnung von Patrick Modiano eine Überraschung. Die meisten kannten bisher nur seinen Namen.
Der Literaturnobelpreis für Modiano trifft nicht den Falschen, setzt aber auch keine Maßstäbe. Die Akademie hätte deutlichere Zeichen setzen können.
Der Nobelpreis für Literatur geht an den französischen Schriftsteller Patrick Modiano. Sein Werk beschäftigt sich vor allem mit dem Zweiten Weltkrieg.
Der Alltag des „Homo sovieticus“ ist ihr zentrales Thema. Swetlana Alexijewitsch hat für ihre Arbeit den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels bekommen.