taz.de -- Friedenspreis des Deutschen Buchhandels: Ausgezeichnete Weißrussin

Der Alltag des „Homo sovieticus“ ist ihr zentrales Thema. Swetlana Alexijewitsch hat für ihre Arbeit den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels bekommen.
Bild: Swetlana Alexijewitsch erhielt bereits mehrfach internationale Auszeichnungen.

„Der Homo sovieticus ist ein Mensch, der gar nicht weiß, was frei sein bedeutet. Wenn es verschiedene Sorten Wurst gibt, dann ist das für ihn Freiheit“, sagte Swetlana Alexijewitsch im Januar 2011 in einem Interview der taz.

Dem Homo sovieticus spürt die weißrusssische Schriftstellerin seit Jahrzehnten nach. Sie dokumentiert – immer mit Distanz, aber nie ohne Anteilnahme – den Alltag dieses seltsamen Wesens. Dieser war und ist von Katastrophen-, Kriegs-, Gewalt- und Verlusterfahrungen geprägt. Bereits mehrfach international ausgezeichnet, kann die 65-Jährige ihrer Sammlung jetzt eine weitere Trophäe hinzufügen: Am Donnerstag wurde ihr der diesjährige Friedenspreis des Deutschen Buchhandels zuerkannt.

Am 31. Mai 1948 im westukrainischen Iwano-Frankiwsk geboren, wächst Alexijewitsch in Weißrussland auf. Nach einem Journalistikstudium arbeitet sie bei verschiedenen Zeitungen und als Lehrerin. Sie verfasst Kurzgeschichten, Essays, Reportagen. Mit der Collage entwickelt sie schließlich eine neue literarische Methode, die ihr auf der Grundlage von Interviews eine größtmögliche Annäherung an ihre Protagonisten erlaubt.

1983 erscheint das Buch „Der Krieg hat kein weibliches Gesicht“, das die Schicksale sowjetischer Soldatinnen im Zweiten Weltkrieg zum Thema und Alexijewitschs Entlassung zur Folge hat. In „Zinkjungen“ (1989) lässt sie Veteranen des sowjetischen Feldzuges gegen Afghanistan sowie Mütter gefallener Soldaten ihre Geschichten erzählen. Mit dem Buch „Tschernobyl. Eine Chronik der Zukunft“ (1997) bringt Alexijewitsch dem Leser in erschütternder Weise die Qualen und Leiden der Opfer der Atomkatastrophe von 1986 nahe.

Bei derart brisanten Themen lassen Repressionen – vor allem im Reich des Autokraten Alexander Lukaschenko – nicht auf sich warten. Alexijewitsch geht ins Ausland – nach Paris, Stockholm und Berlin. 2011 kehrt sie in ihre Heimat zurück. Und das, obwohl das Regime die Repressionen gegen Oppositionelle seit den Massenprotesten im Dezember 2010 verschärft hat. Daran hat sich nichts verändert. Gerade deshalb sollte die jüngste Auszeichnung für Alexijewitsch, aber auch ihre Landsleute eine Ermutigung sein.

20 Jun 2013

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Barbara Oertel

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