taz.de -- Programm für die Berlin-Wahl 2016: SPD lässt ihre Mitglieder entscheiden

Die Parteibasis der Berliner Sozialdemokraten kann bis Anfang November über zwölf strittige Fragen abstimmen
Bild: Cannabis freigeben oder nicht? - das ist eines zwölf Themen, über die alle 16.000 Berliner SPD-Mitglieder jetzt abstimmen können.

Mehr Polizisten? Kopftuch im öffentlichen Dienst? Cannabis freigeben oder nicht? Über diese und neun weitere Fragen können die rund 16.000 Berliner SPD-Mitglieder jetzt schriftlich abstimmen. Das Ergebnis soll im Programm für die Abgeordnetenhauswahl 2016 stehen, auch wenn offiziell darüber noch ein Parteitag abstimmt. „Politisch bindend“ nennt SPD-Sprecherin Josephine Steffen die bis zum 5. November laufende Befragung.

Das kann dazu führen, dass Regierungschef Michael Müller als designierter SPD-Spitzenkandidat im Wahlkampf Positionen vertreten muss, die nicht seine sind. Das gilt vor allem für eine Cannabis-Freigabe. „Sehr kritisch“ stehe er einer solchen Forderung gegenüber, sagte Müller jüngst. Andere in der SPD sehen das anders, etwa der Chef des Parteinachwuches Jusos, Kevin Kühnert (siehe Gastbeitrag Seite 23).

Während bei der jüngsten Berliner Mitgliederbefragung – bei der CDU zur Homo-Ehe – der dortige Parteichef Frank Henkel seine Haltung zurückhielt, um „nicht die Meinungsbildung zu beeinflussen“, sieht sein SPD-Kollege Jan Stöß das anders: Er zeigt sich wie Müller skeptisch bei der Cannabis-Frage und will am Kopftuchverbot bei Richterinnen und Lehrerinnen festhalten.

Für die SPD ist es die dritte Basisabstimmung seit 2013: Beim ersten Mal ging es um den Koalitionsvertrag mit der CDU nach der Bundestagswahl, im Herbst 2014 um die Nachfolge von Klaus Wowereit. Alle Mitglieder nicht über ein fertiges Wahlprogramm, sondern vorab über zentrale Punkte abstimmen zu lassen, ist für Parteisprecherin Steffen bundesweit neu. Für Landeschef Stöß ist das Verfahren so, „als ob die Mitglieder im Parlament oder im Senat sitzen und dort abstimmen“.

So wenig angesichts gegenwärtiger Umfrageergebnisse zu bezweifeln ist, dass die SPD auch nach dem Herbst 2016 regiert – eins zu eins werden die Ergebnisse dann doch nicht Gesetz werden. Denn mit derzeit 29 Prozent ist sie zwar weit vorne, aber auch weit von einer Alleinregierung entfernt und wird sich weiter mit einem Koalitionspartner arrangieren müssen. Und der wird zumindest ein bisschen mitbestimmen wollen.

13 Oct 2015

AUTOREN

Stefan Alberti

TAGS

SPD Berlin
Cannabis
Michael Müller
Kevin Kühnert
Michael Müller
Berliner Senat
Kopftuch
SPD
Cannabis
Cannabis
Homo-Ehe
Berlin

ARTIKEL ZUM THEMA

Schrumpfende Volksparteien: Strukturkonservativer Geist

SPD und CDU verlieren weiter Mitglieder. Das liegt auch daran, dass die Beharrungskräfte gegen mehr innerparteiliche Demokratie enorm sind.

Michael Müller will SPD-Landesvorsitz: Mehr Macht als Klaus Wowereit

Der Regierende Bürgermeister will sich auch zum Parteivorsitzenden wählen lassen und Konkurrent Jan Stöß ausbooten. Was sagt uns das?

Müller seit einem Jahr Regierungschef: Weit mehr als ein Wowereit-Ersatz

Der heutige Donnerstag ist Michael Müllers 365. Tag als Regierender Bürgermeister. Flughafen und Finanzen schienen zum Start die Themen – nun überdeckt das Flüchtlingsthema alles

Das war die Woche in Berlin I: Die Neutralität steht auf der Kippe

Eine Lehrerin wehrt sich gegen das Kopftuchverbot mit einer Klage. Es wäre bedauerlich, wenn das Gericht die weltanschauliche Neutralität in der Schule kippen würde.

Juso-Chefin Uekermann über linke Politik: „Diese Bratwurst-Logik ist verrückt“

Johanna Uekermann will die Jusos zwei weitere Jahre führen. Von der SPD fordert sie weniger Wischiwaschi, mehr Mut und einen klaren Linkskurs.

Legalisierungsdebatte um Gras: Ist ein Cannabis-Verbot zeitgemäß?

Beamte fordern Coffeeshops, während immer noch viele fürs Kiffen und Dealen ins Gefängnis gehen. Deutschland braucht einen neue Cannabis-Politik.

Coffeeshops in Berlin: Müller hält nichts von Hasch-Freigabe

Wird es Coffeeshops geben? Das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg wartet auf die Entscheidung des Bundesinstituts. Der Regierende zeigt sich zurückhaltend.

Berliner CDU stimmt gegen Homo-Ehe: Union lehnt Heiratsantrag ab

Klares Ergebnis: Die Mitglieder der Berliner CDU lehnen mit 45 zu 35 Prozent die Ehe für alle ab. Vor allem die Älteren stimmten mit Nein.

Abstimmung über Wowereit-Nachfolge: 64 Prozent Votums-Beteiligung

17.200 Berliner SPD-Mitglieder hatten die Chance, den neuen Bürgermeister zu bestimmen, rund 11.000 nutzten sie. Das Ergebnis wird am frühen Nachmittag erwartet.