taz.de -- Putschversuch in Burkina Faso: Das letzte Aufbäumen der alten Garde

Die Armee erobert eine Kaserne von Spezialeinheiten und den Präsidentenpalast zurück. Das sorgt in der gesamten Region für Erleichterung.
Bild: Die Armee von Burkina Faso kontrolliert jetzt wieder das Geschehen.

Abuja taz | Es könnte tatsächlich das Aus der Präsidentengarde (RSP) von Burkina Faso sein. In der Nacht zu Mittwoch hat die Armee – sie macht die große Mehrheit der Streitkräfte aus – eine von der Spezialeinheit besetzte Kaserne sowie den Präsidentenpalast zurückerobert. Gilbert Diendéré, der noch vor zwei Wochen den Staatsstreich angeführt hatte, soll sich mittlerweile in die Botschaft des Vatikans geflüchtet haben. Anfangs war von der US-Botschaft die Rede.

In einem Interview sagte Diendéré, dass es ihm in den vergangenen Tagen nicht mehr gelungen sei, die Mitglieder der Spezialeinheit zu kontrollieren. Ob und wie viele Menschen am Dienstag und Mittwoch umgekommen sind, ist noch unklar. Mehrere Medien hatten von Schusswechseln rund um die Kaserne berichtet, in der sich neben den Soldaten teilweise auch deren Familienmitglieder aufgehalten haben sollen. Außerdem sollen Rauchschwaden zu sehen gewesen sein.

Dabei hatte es vor einer Woche noch gut ausgesehen. Der kurze Staatsstreich war beendet und Übergangspräsident Michel Kafando wieder in sein Amt eingeführt worden. Diendéré hatte den Versuch, die Macht doch noch einmal zu übernehmen, als unnötig bezeichnet. Auf den Straßen der Hauptstadt Ouagadougou waren innerhalb kurzer Zeit 10 Menschen ums Leben und mehr als 100 verletzt worden.

Doch die Präsidentengarde, eine Eliteeinheit innerhalb der Armee, machte den Akteuren erneut einen Strich durch die Rechnung. Trotz der Einigung weigerten sich deren Mitglieder bereits ab Sonntagabend, ihre Waffen abzugeben. Die RSP war unter dem ehemaligen Präsidenten Blaise Compaoré entstanden und soll nach Empfehlung der nationalen Versöhnungs- und Reformkommission aufgelöst werden.

Der Blick richtet sich wieder auf die Wahlen

Der Erfolg der Armee könnte nun bedeuten, dass die RSP, der Beobachtern zufolge rund 1.300 Personen angehören, ihre Macht endgültig verloren hat. Damit müssen die Mitglieder auf weitreichende Privilegien verzichten. Unter anderem wurden sie im Ausland ausgebildet und ihre Kinder auf gute Schulen geschickt. Burkina Faso kann sich nun aber wieder auf die Wahlen konzentrieren, die nach dem Staatsstreich von vor zwei Wochen bereits vom 11. Oktober auf den 22. November verschoben worden waren.

Das dürfte auch in der ganzen Region der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft (Ecowas) für Erleichterung sorgen. Burkina Faso grenzt an Mali, Niger, Ghana, die Elfenbeinküste, Benin und auch Togo. „Gibt es in Burkina Faso eine Krise, ist die ganze Region betroffen“, erklärt Abibata Barry, die für die nichtstaatliche Organisation „Zentrum für Demokratie und Entwicklung“ (CDD) in Abuja arbeitet und aus Burkina Faso stammt.

„Wir haben Organisationen wie Boko Haram in Nigeria, die auch Anschläge im Niger verüben. Der Niger wiederum grenzt an Burkina Faso. Auf der anderen Seite steckt Mali in der Krise, wo ebenfalls Terrorgruppen agieren. Auch sie können in unser Land eindringen“, sagt Barry. Dass Terroristen es als einen Rückzugsort nutzen, gilt bereits seit 2012 als wahrscheinlich. Deshalb sei für die Ecowas ein politisch stabiles Burkina Faso wichtig. Versinke das Land im Chaos, würden vor allem Extremisten Tür und Tor geöffnet werden.

Burkina Faso habe aber auch innerhalb Westafrikas einen besonderen Ruf. „Blaise Compaoré war in allen Krisen Vermittler“, erinnert Abibata Barry. Auch nach dem ehemaligen Präsidenten würde es viele Menschen geben, die die politischen Entwicklungen innerhalb der Region gut kennen und im Zweifelsfall die Rolle als Mediator übernehmen könnten.

30 Sep 2015

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Katrin Gänsler

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