taz.de -- Militärputsch in Burkina Faso: Ein Rapper auf der Flucht
Am Mittwoch hat sich das Militär in Burkina Faso an die Macht geputscht. Am Donnerstag hat es das Studio des Rappers Smockey beschossen.
Manchmal kommt die Weltgeschichte per Facebook ins Haus. Am Donnerstag stellte der deutsch-nigerianische Musiker Adé Bantu [1][ein Video dort ein]. „Wir haben gerade erfahren, dass das Studio unseres Freundes Smockey angegriffen wurde“, sagt Bantu mit zornigem Gesichtsausdruck.
Was war passiert? Am Mittwoch hat sich [2][das Militär in Burkina Faso an die Macht geputscht], am Donnerstag hat es das Abazon-Studio des Rappers Martin Bambara aka Smockey in der Hauptstadt Ouagadougou mit einem Raketenwerfer beschossen. Vor vier Monaten hatte Adé Bantu dort noch aufgenommen, jetzt ist es zerstört.
Weder Smockey noch seine Familie waren aber zum Zeitpunkt des Angriffs im Haus. Seiner Frau geht es gut, Smockey selbst befindet sich auf der Flucht. Was aber muss ein Rapper tun, um dermaßen ins Visier neuer Machthaber zu geraten, dass diese als eine ihrer ersten Taten unbedingt seinen Arbeitsplatz zerstören müssen? Smockey hat gerappt – mit tiefer Stimme, über minimalistischen Beats.
In seinem Stück „Le Président, ma Moto et Moi“ lädt er Blaise Compaoré, den mittlerweile abgesetzten Alleinherrscher, auf eine Spritztour durch sein Land ein. Auf seiner Safari zeigt Smockey ihm das Land, das seine Herrschaft hinterlassen hat: hohe Arbeitslosigkeit, schlechte Krankheitsversorgung, Korruption. Das Stück ist eine klassische HipHop-Geste: Wir – die Jungs von der Straße – zeigen euch, den Machthabern, wie die Welt wirklich aussieht. Es ist die gleiche Geste, mit der gerade das NWA-Biopic „Straight Outta Compton“ einen Siegeszug in den US-Kinos angetreten hat.
Der Besen der Bürger
Aber wo der „Reality Rap“ von NWA letztlich nur den individuellen sozialen Aufstieg als Alternative zu sozialen Missständen kennt, hat sich Smockey an einem anderen HipHop-Mantra orientiert: „Agitate, educate, organize“. Zusammen mit einem anderen Musiker, dem Reggae-Künstler Sams‘K Le Jah, hat Smockey eine Demokratiebewegung angeführt. „Le Balai Citoyen“ – der Besen der Bürger – hieß diese Bewegung und der Besen aus ihrem Namen war das Symbol für einen demokratischen Neustart in Burkina Faso, das 27 Jahre lang vom Alleinherrscher Blaise Compaoré regiert wurde.
„Die Jugend muss aufgefordert werden, sich zu bewaffnen“, erklärte Smockey damals, „und die Waffe für die Präsidentschaftswahlen, das ist der Wahlschein.“ Der Aufstand gegen Compaoré im Jahr 2014 war erfolgreich. Der Dikator Compaoré musste zurücktreten, am 11. Oktober 2015 hätten Wahlen sein sollen. Nach dem Militärputsch sind sie nun erst mal abgesagt.
Jetzt hat sich Smockey erneut zu Wort gemeldet. In einem Telefoninterview mit der ARD warnte er davor, dass sich das alte Regime durch den Militärputsch wieder an die Macht bringen wollte, und forderte die Bevölkerung zum Widerstand auf. Seine Single „[3][On passe á l‘attaque]“ ist gerade erschienen, ein Album mit Stücken aus der Zeit des Aufstands folgt Anfang Oktober. „Wir werden von unseren Zielen und Überzeugungen geleitet“, erzählte Smockey, als er im Juni in Köln in einem Theaterstück über den Aufstand in Burkina Faso mitspielte. „Unseren Aktivisten sage ich: Folgt nicht irgendwelchen Männern. Folgt euren Ideen.“
19 Sep 2015
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