taz.de -- Russlands Syrienpolitik: Moskau nährt Spekulationen

Welche Absichten verfolgt Putin in Syrien? Will er mit dem Westen den IS bekämpfen oder eine Koalition mit dem Iran schmieden?
Bild: Zerstört: die Stadt Kobane im Süden Syriens

MOSKAU taz | Sind reguläre russische Truppen in Syrien im Einsatz? Oder handelt es sich nur um russische Berater und Instrukteure, die seit Langem das Regime von Präsident Baschar al-Assad unterstützen? Seit vergangener Woche häufen sich die Medienberichte, die in der Region ein verstärktes Engagement Russlands beobachtet haben wollen, ohne jedoch letzte Beweise vorzulegen. Am Wochenende warnten die USA Russland vor einer militärischen Intervention aufseiten Assads.

Das russische Außenministerium macht kein Hehl aus seinen Aktivitäten in Syrien, streitet jedoch den Einsatz von Soldaten in Kampfhandlungen ab. Seine Militärhilfe für die syrische Führung hätte Moskau nie verheimlicht, sagte die Sprecherin des russischen Außenamts am Dienstag. „Wir liefern seit Langem Technik auf Grundlage bilateraler Verträge und des Völkerrechts.“ Außerdem gebe es in Syrien russische Militärexperten, die den Syrern helfen, mit der Technik umzugehen. Die „Hysterie“ über die Anwesenheit russischer Soldaten könne sie nicht nachvollziehen.

[1][Seit den Berichten über die Lieferungen an Assad] reißen die Spekulationen über Moskaus Vorhaben nicht mehr ab. Russische Beobachter fühlen sich ins vergangene Jahr zurückversetzt, als Moskau nach der Annexion der Krim die Beteiligung regulärer Truppen hartnäckig leugnete.

Nicht zuletzt war es auch der Auftakt einer neuen Art hybrider Kriegsführung. Laut der syrischen Zeitung Al-Watan baut Russland in Dschabla, 25 Kilometer südlich von Lattakia am Mittelmeer gelegen, einen neuen Stützpunkt. Bislang verfügte es mit dem syrischen Hafen Tartus nur über eine technische Versorgungsbasis, die Einzige im Mittelmeerraum. Die geografische Lage des neuen Stützpunkts soll militärischen Anlagen mehr Schutz bieten.

Kreml wird Assad nicht fallen lassen

Die alawitische Bevölkerungsmehrheit in der Provinz Lattakia hält nach wie vor zu Assad. Klar ist, der Kreml wird Assad nicht fallen lassen. Mit den Andeutungen Wladimir Putins letzte Woche, eine Beteiligung im Kampf gegen den Islamischen Staat (IS) sei nicht grundsätzlich ausgeschlossen, nährte der Kreml indes Spekulationen. War es ein Versuchsballon, der die Stimmung im Westen ausloten sollte? Will Putin sich in die US-geführten Militärkoalition gegen den IS einbringen und damit auch das Regime in Damaskus retten?

Der gemäßigten syrischen Opposition und den USA dürfte dies nicht zusagen. Dass sie Seite an Seite mit Assads Truppen gegen den IS vorgehen, ist schwer vorstellbar. Putin könnte auch an einer Koalition basteln, der Russland, China und Iran angehören, allesamt Unterstützer Assads. Das mutmaßen zumindest russische Medien.

Sollte das gelingen, hätte Putin es dem zögerlichen Westen mal wieder vorgemacht: Auch im Nahen Osten wird Moskau mit dem Terror fertig. Die Rückkehr als weltpolitischer Ordnungsfaktor würde dem Präsidenten zu Hause einen neuen Höhenflug bescheren. Dann dürfte sich herausstellen, ob die vorübergehende Ruhe im ukrainischen Donbass mit einem neuen Engagement Russlands in Syrien verbunden ist.

9 Sep 2015

LINKS

[1] /Krieg-in-Syrien/!5226999

AUTOREN

Klaus-Helge Donath

TAGS

Russland
Schwerpunkt Syrien
Syrischer Bürgerkrieg
China
Schwerpunkt Syrien
Schwerpunkt Syrien
USA
Die Linke
Schwerpunkt Syrien
Schwerpunkt Syrien
Schwerpunkt Syrien
Schwerpunkt Syrien

ARTIKEL ZUM THEMA

Chinas Reaktion auf Tötung von Geisel: Xi Jinping verurteilt Hinrichtung

In seinem Internetmagazin brüstet sich der Islamische Staat, eine chinesische und eine norwegische Geisel getötet zu haben. China reagiert geschockt.

Syrienpolitik von Russland und den USA: Gemeinsam den Konflikt beenden

Russland setzt auf Assad, die USA lehnen Verhandlungen mit ihm ab. Washington und Moskau prüfen aber, wie sie kooperieren könnten.

Kommentar Putins Auslandspolitik: Kreml und Krieg

Putin schaut nach Syrien. Er will eine Koalition mit Assad gegen den IS. Dabei soll die Ukraine aus dem Fokus der EU geraten. Er hat nichts zu verlieren.

Russlands Engagement in Syrien: USA zeigen sich „tief beunruhigt“

Laut US-Informationen haben sich die russischen Militäraktivitäten Richtung Syrien intensiviert. Das sieht man jenseits des Atlantik nicht gern.

Kommentar USA-Bashing der Linken: Politik aus der Mottenkiste

Die Linkspartei macht die USA für die hohe Zahl von Flüchtlingen verantwortlich. Sie müsse sich an den Kosten beteiligen. Das ist zu einfach.

Frankreich schickt Flugzeuge nach Syrien: Bereit, Angriffe zu fliegen

Französische Aufklärungsflugzeuge sollen ab Dienstag über Syrien kreisen. Großbritannien gibt bekannt, Ende August erste Angriffe geflogen zu haben.

Krieg in Syrien: Diskrete Hilfe aus Moskau

Waffen und Militärberater: Unbestätigten Berichten zufolge rüstet Russland das Assad-Regime auf. Die US-Regierung zeigt sich besorgt.

Moskaus Engagement für Assad in Syrien: USA warnen Russland

Berichte über einen möglichen russischen Militäraufbau in Syrien alarmieren die USA. Sie warnen vor einer weiteren Eskalation der Lage in dem Land.

Debatte Gewalt in Syrien: Erst Assad, dann der Islamische Staat

Wer die IS-Miliz erfolgreich bekämpfen will, muss den Syrienkonflikt beenden. Dafür braucht es vor allem eine Alternative zum Assad-Regime.